Gefecht an der Schweizer Grenze
Von Faschisten erschossen: Im Tessin erinnern jetzt Stolpersteine an die gefallenen Partisanen

1944 lieferten sich Partisanen an der Schweizer Grenze ein Gefecht mit einer faschistischen Spezialeinheit. Die Schweiz öffnete die Grenze für die Verfolgten. Doch es gab Tote und Verletzte. Daran erinnern nun goldene Stolpersteine.

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KAMPF GEGEN DIE FASCHISTEN: Italienische Widerstandskämpfer im Jahr 1944 im Gefechtsmodus. (Foto: Archivio fotografico Istituto storico / Piero Fornara / Fondo Resistenza)

Im Herbst 1944 toben in Italien erbitterte Kämpfe zwischen den Partisanen, die ihr Land von den Nazis befreien wollen, und der deutschen Wehrmacht mit ihren faschistischen Verbündeten. An einem kleinen Grenzübergang in Tessiner Onsernonetal, der nur über eine stundenlange Bergwanderung erreichbar ist, stehen am 13. Oktober 1944 plötzlich 500 Menschen. Sie sind auf der Flucht vor den heranrückenden Faschisten und bitten um Einlass. Doch die Grenzsoldaten haben die Anweisung des Bundesrates, dass die Kampfhandlungen ennet der Grenze keinesfalls beeinflusst werden dürfen. Also lassen sie nur 4 Verletzte und die 250 Zivilisten, darunter 31 Kinder, passieren. Die 250 Partisanenkämpfer weisen sie ab.

Der Plan der Grenzsoldaten

Doch die Grenzsoldaten wissen, dass die anrückenden Nazi- und Mussolini-Truppen hier bald ein Blutbad anrichten werden. Da fällt der 28jährige Leutnant Augusto Rima eine mutige Entscheidung: Er sagt den Partisanen, er könne sie als Kriegspartei nicht hereinlassen, ausser es drohe unmittelbare Todesgefahr. Daher bliebe nichts anderes übrig, als auf die Faschisten zu warten und mit ihnen in einen Schusswechsel zu treten.

OKTOBER 1944: Partisanen und Zivilisten warten darauf, die Schweizer Grenze zu passieren.
Der Soldat im Vordergrund ist wahrscheinlich ein deutscher Deserteur des Zollgrenzschutzes. (Foto: Insubrica Historica)

Opfer auf Schweizer Boden

Am Nachmittag des 18. Oktober ist es dann so weit: Eine schwerbewaffnete Mussolini-Truppe, befehligt von deutschen SS-Kommandanten, trifft ein, und das Gefecht beginnt. Die Faschisten verschiessen über 25 000 Kugeln. Der Kugelhagel verfolgt die Partisanen sogar über die Grenze. Ein Kriegsverbrechen, das für den 24jährigen Mailänder Partisanenoffizier Federico Marescotti tödlich endet. Obwohl bereits auf Schweizer Boden, wird er getroffen. Auch der 19jährige Renzo Coen erliegt seinen Verletzungen später im Spital von Locarno. Weiter gibt es Dutzende Verletzte beim Gefecht, das heute als Schlacht bei den Thermen von Craveggia bekannt ist. work hat ausführlich darüber berichtet: zum Artikel.

Die Faschisten lassen indes nicht locker. Sie verlangen die Herausgabe der Partisanen und drohen den Schweizer Grenzsoldaten mit Gewalt. Doch diese bleiben standhaft. Und als Verstärkung aus Bellinzona eintrifft, ziehen die Faschisten ab.

Stolpersteine für die Opfer

Jetzt erinnert bei den Thermen von Craveggia ein spezielles Mahnmal an die Opfer dieses Gefechts. Für die verstorbenen Federico Marescotti und Renzo Coen sowie den schwerverletzten Adriano Bianchi wurden die sogenannten Stolpersteine gesetzt.

MAHNMAL: Die Stolpersteine im Tessin. (Foto: Keystone)

Die Gedenksteine erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus und werden seit 1996 in ganz Europa gesetzt, erstmals nun auch im Tessin. An der Zeremonie vom Dienstag nahmen unter anderem alt Bundesrätin Ruth Dreifuss, der frühere Unia-Co-Präsident Andreas Rieger, die Tessiner Regierungsrätin Marina Carobbio Guscetti, der Historiker Jakob Tanner sowie Angehörige der Familien Bianchi und Marescotti teil.

GROSSES PUBLIKUMSINTERESSE: Alt Bundesrätin Ruth Dreifuss an der Zeremonie. (Foto: Keystone)

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