Der Trump(f)-König
US-Präsident Donald Trump könnte ein begnadeter Jasser sein (leider wissen wir es nicht). Zumindest hat er im «Differenzler» mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter gezeigt, was er draufhat.

Ende der 1990er Jahre lancierten die EU-Länder eine Wirtschafts- und Währungsunion, um Europa zu vereinigen. Damit waren auch die Gewerkschaften gefordert: Damit die Arbeitnehmenden aus verschiedenen Ländern nicht gegeneinander ausgespielt werden können, braucht es mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit. So haben sich von 1997 bis 2020 die transnationalen sozioökonomischen Proteste verdoppelt, wie aus einer Studie von Jörg Nowak und mir hervorgeht.
Der ökonomische Wettbewerbsdruck beförderte die transnationale Zusammenarbeit der Gewerkschaften kaum. Viel wichtiger waren unsoziale Interventionen von EU-Behörden. 115 der insgesamt 360 transnationalen Proteste seit 1997 fanden im Service public statt. Im privaten Sektor, der grösserem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, hingegen nur 101. Die Aktivitäten der Gewerkschaften blieben lokal und national, ungeachtet mehrerer Versuche, Lohnverhandlungen grenzüberschreitend zu koordinieren, um dem Wettbewerbsdruck innerhalb des europäischen Binnenmarkts entgegenzuwirken. Obwohl Waren durch menschliche Arbeit hergestellt werden, scheinen sie ein Eigenleben zu entwickeln, sobald sie auf dem Markt gehandelt werden. Folglich nehmen viele den Wettbewerbsdruck als eine «natürliche» Kraft wahr, die kaum zu beeinflussen ist. Die gesellschaftlichen Mechanismen hinter kapitalistischen Produktionsprozessen zu erkennen ist schwierig. Das erklärt, warum es einfacher war, konkrete Interventionen von EU-Behörden zu politisieren.
Nach der Finanzkrise von 2008 führte die EU ein neues Regime wirtschaftspolitischer Steuerung ein, das den EU-Behörden die Befugnis gibt, Ländern weitreichende sozial- und wirtschaftspolitische Massnahmen zu verschreiben. Die Service-pulic-Gewerkschaften konnten aufzeigen, dass viele dieser EU-Interventionen einer unsozialen Stossrichtung folgten. Und deshalb fiel es ihnen auch leicht, transnationale Gegenbewegungen zu organisieren.
Diese Ergebnisse sind auch von grosser Bedeutung für die Zukunft der sozialen Demokratie in Europa. Transnationale soziale Proteste sind wichtig, um die Kämpfe über die künftige Ausrichtung der EU entlang transnationaler Konfliktlinien zu gestalten. Während die Politisierung der EU entlang nationaler Unterschiede Nationalismus und EU-feindliche Stimmungen schürt, können Proteste über Grenzen hinweg zusammenbringen und damit auch die soziale Demokratie in Europa langfristig stärken.
Roland Erne schreibt hier im Turnus mit Regula Rytz, was die europäische Politik bewegt.