Verteilzentrum: Mitarbeitende wehren sich erfolgreich
H&M stoppt Überwachung

Auf Schritt und Tritt überwacht: Das wollten die Logistikerinnen und Logistiker bei H&M nicht mehr hinnehmen. Unterstützt von der Unia, setzten sie sich mit den Chefs an einen Tisch und handelten Verbesserungen aus.

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GEMEINSAM STARK: Die Mitarbeitenden des Logistikzentrums von H&M haben sich zusammengetan und etwas erreicht. (Foto: Keystone)

In der Logistik kommen die Aufträge heute nicht mehr von der Chefin, sondern vom Computer. Tragbare Geräte dirigieren die Mitarbeitenden; eine Software weiss jederzeit, was wohin unterwegs ist und wie viel noch im Regal steht. Eine solche elektronische Lagerverwaltung setzt auch die Modemarke H&M in ihrem Verteilzentrum in Neuendorf SO ein. 

Doch das schwedische Unternehmen nutzte das System auch, um die Mitarbeitenden in Echtzeit zu überwachen. Lea Symons, Unia-Sekretärin für die Logistikbranche, hat in den letzten anderthalb Jahren mit zahlreichen Logistikerinnen und Logistikern des Zentrums gesprochen. Und stellte fest: Die Chefs kontrollierten genau, ob Mitarbeitende gerade einen Auftrag ausführten und sich bewegten. Solche, die das nicht taten, sprachen sie mitunter sofort an und fragten, was denn los sei. «Dabei», so Symons, «standen die Leute ja nicht aus Faulheit still. Sondern etwa, weil eine Ware nicht verfügbar war, weil sie eine Frage hatten – oder sie waren auf der Toilette.»

Ohnehin mache H&M den knapp 100 Mitarbeitenden im Lager exakte Vorgaben, wie viele Artikel sie pro Tag an ihren Bestimmungsort bringen müssten. Dass sie darüber hinaus auf Schritt und Tritt überwacht würden und ständig mit einem Rüffel rechnen müssten – das habe die Mitarbeitenden zusätzlich gestresst und belastet, sagt Symons. 

Nur im Flüsterton

Als die Unia Anfang 2024 zum ersten Mal die Mitarbeitenden in Neuendorf ansprach, hätten viele einen richtiggehend ängstlichen Eindruck gemacht, so die Unia-Frau:

Sie fühlten sich bereits ausserhalb des Verteilzentrums überwacht, von den Büroräumen aus und von der Kamera am Eingang. Nur, wenn wir flüsterten oder sie weiter entfernt ansprachen, fingen sie an, mit uns zu sprechen.

Mit der Zeit fassten die Mitarbeitenden Vertrauen, nahmen an Versammlungen teil und stellten gemeinsam Forderungen auf. Rund 60 von ihnen erteilten der Unia ein Mandat, sie gegenüber H&M zu vertreten. Als dann das Management zu Verhandlungen bereit war, wählten sie aus ihrer Mitte drei Delegierte. Das sei wichtig gewesen, so Symons: «So haben die Chefs gemerkt, dass die Forderungen direkt von den Mitarbeitenden gekommen sind. Das Unia-Team sass nur zur Unterstützung am Tisch.»

Bereits nach zwei Verhandlungsrunden lenkte die H&M-Führung bei zentralen Anliegen ein: Die Echtzeit-Überwachung durch Vorgesetzte wurde umgehend abgeschafft. Und die täglichen Vorgaben gelten neu nicht mehr für jede einzelne Person, sondern jeweils pro Team. Lea Symons: «Wir haben vereinbart, dass diese Punkte ab nächstem Jahr im Personalreglement verankert werden.»

Löhne sollen steigen

Auch bei den Löhnen geht es langsam aufwärts. Nachdem sie jahrelang stagniert hatten, stiegen sie in den letzten drei Jahren insgesamt um rund 10 Prozent. Laut Unia-Frau Symons zahlt H&M den Logistikerinnen und Logistikern derzeit zwischen 4600 und 4800 Franken brutto im Monat, bei einer 42-Stunden-Woche. Zwar ist H&M auch künftig nur zu individuellen Lohnerhöhungen bereit. «Die Führung hat aber zugesagt, dass die Löhne auch in den nächsten drei Jahren um total rund 10 Prozent ansteigen sollen.»

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