Nicht besser und auch nicht länger:
Die Ovo-Chefs wollen den GAV versenken

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Von der Milch bis aufs Brot: Ovomaltine ist ein Traum für alle Schleckmäuler. Gar nicht süss sind dagegen die Zustände in der Wander-Fabrik in Neuenegg.

MEINE OVO, MEIN GAV: Mit diesem Flugblatt hat die Unia den neuen Wander-CEO empfangen. (Foto: Unia)

Gegen den Willen der Belegschaft will die Wander AG in Neuenegg BE den Gesamtarbeitsvertrag in der Ovomaltine-Fabrik per Ende Jahr kündigen. Nicht länger wollen sich die Chefs der Traditionsfabrik an den seit 50 Jahren geltenden GAV halten. Nicht besser wird dadurch die Stimmung im Betrieb. Die Mehrheit der 91 Mitarbeitenden, die dem GAV unterstellt sind, hat denn auch einen Brief gegen seine Kündigung unterschrieben.

Denn der Firmen-GAV garantiert den Beschäftigten in der Produktion einen Mindestlohn von 4200 Franken, Schichtzulagen, eine 41,5-Stunden-Woche und zusätzliche Ferientage. Mit der Kündigung drohen tiefere Löhne, eine längere Wochenarbeitszeit, die Streichung der Schicht- und Dienstalterszulagen und der Verlust von bis zu 10 Ferientagen pro Jahr.

Um den Finger gewickelt

Betriebselektriker Rainer Schilling* sagt: «Man hat uns im Betrieb nicht richtig über die Kündigung informiert und die Personalkommission um den Finger gewickelt.» Mit den neuen, individuellen Arbeitsverträgen gebe es keine verbindliche Mitsprache des Personals mehr, und das neue Personalreglement sei jederzeit einseitig kündbar. Die Geschäftsleitung habe sich lediglich über die «mühsame» Zusammenarbeit mit der Unia als Vertragspartnerin im GAV beklagt und dies intern auch als Grund für die Kündigung des GAV kommuniziert.

Geplatzte Verhandlungen

Tatsächlich waren die Verhandlungen letztes Jahr schwierig. Der zuständige Unia-Sekretär Ivan Kolak sagt:

Wir haben die Lohnverhandlungen erstmals in den letzten zehn Jahren nicht unterzeichnet, weil die Mehrheit des Personals mehr Lohn forderte und keine Lohnkürzungen akzeptieren wollte.

Die Kündigung sieht er als Reaktion auf diese geplatzten Verhandlungen.

Neuer CEO ist in der Pflicht

Am Dienstag trat Marco Zanchi seine neue Stelle als CEO bei der Wander AG an. Aus diesem Anlass luden ihn die Beschäftigten und die Unia zu einem Willkommensgespräch ein.

UNSER GAV MUSS BLEIBEN: Die Begrüssungsaktion für Neo-CEO Marco Zanchi. (Foto: Unia)

Zanchi hat eine Delegation der Unia empfangen und unterstützt die bisherige Haltung der Geschäftsleitung; für die betroffene Belegschaft ist jedoch klar: Der neue Chef muss den Entscheid der vorherigen Interimsleitung rückgängig machen und den GAV weiterführen. Der GAV muss bleiben! Corinne Schärer, Unia-Branchenleiterin Lebens- und Genussmittelindustrie, sagt:

Die Unia steht an der Seite der Beschäftigten und setzt sich dafür ein, die 50jährige Vertragspartnerschaft weiterzuführen. Die bekannten und beliebten Produkte der Ovomaltine-Linie haben Zukunft, aber nur, wenn die Arbeit des Personals wertgeschätzt und ihr eindeutiges Ja zum GAV von der Unternehmensleitung berücksichtigt wird.

Über die nächsten Schritte werden die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft an einer weiteren Personalversammlung entscheiden.

*Name geändert


Die Ovo-Saga: Vom Experiment zum Klassiker Schweizer Kult-Marke in britischen Händen

Die Ovomaltine-Geschichte begann vor über 100 Jahren in einem Apotheker-Labor in der Berner Altstadt. Trotz Besitzerwechseln hat sich die Marke ein heimisches Image bewahrt.

EXPANSION: Mit dem Namen Ovaltine ging Ovo nach England. (Foto: PD)

Seit 2002 ist die Wander AG eine Tochtergesellschaft des Konzerns Associated British Foods, eines britischen Konzerns mit weltweit 138 000 Mitarbeitenden. Das europäische Produktionszentrum für Ovomaltine befindet sich jedoch weiterhin in der Schweiz, dem Ursprungsland des Produkts.

Der aus Deutschland stammende Apotheker Georg Wander experimentierte in der Berner Altstadt in seinem Labor. Auch Sohn Albert Wander durfte mitmischen und stellte um die Jahrhundertwende aus Malzextrakt und Kakao erstmals Ovomaltine her. 1904 gründete er die Wander AG und eröffnete eine erste Lebensmittelfabrik in der Stadt Bern.

Der Siegeszug

Bis zum Ersten Weltkrieg war Kakao vor allem ein Frauen- und Kindergetränk, doch durch den Krieg wurden Kakaoprodukte und Ovomaltine auch vermehrt von Männern in der Armee konsumiert. Seit 1927 wird das Kakaopulver am heutigen Fabrikstandort in Neuenegg BE hergestellt. 1932 übernahm Ovomaltine erstmals die offizielle Verpflegung für ­Athleten und Funktionäre an Olympischen Sommer- und Winterspielen. Und mit erfolgreichem Marketing sicherte man sich einen festen Platz in den Schweizer Stuben, Beizen und Köpfen.

1967 verkaufte das Familienunternehmen die Firma an den Pharmahersteller Sandoz aus Basel, 2002 kaufte Associated British Foods die Wander AG. In Neuenegg arbeiten heute insgesamt 270 Mitarbeitende. Neben dem Ovomaltine- und dem Caotina-Pulver werden der Brotaufstrich Ovo Crunchy Cream und Ovo-Riegel produziert. Die Getränke, Müesli und Glace lässt die Wander AG in anderen Schweizer Betrieben produzieren.

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