Italienische Industriegeschichte im Kino
Überwachung und Mobbing: Das «Irrenhaus» im Stahlwerk

Palazzina Laf ist ein Gebäude auf dem Gelände des Stahlwerks Ilva in der süditalienischen Stadt Tarent. Dort isolierten die Chefs Mitarbeitende, die sich gewerkschaftlich organisierten oder als unangepasst galten. Der Film «Palazzina Laf» von Michele Riondino, dem Sohn eines ILVA-Stahlarbeiters, läuft derzeit in den Deutschschweizer Kinos.

PREISGEKRÖNTE SCHAUSPIELER: Michele Riondino (l.) und Elio Germano haben am Festival del Cinema di Roma für ihre Rollen in «Palazzina Laf» die Preise abgeräumt. (Foto: pd)

Nach der Privatisierung des staatlichen italienischen Stahlwerks Ilva in den 90er Jahren begannen die Chefs mit Restrukturierungen. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter gerieten dabei schnell in den Fokus des neuen Managements. Weil man sie nicht einfach entlassen durfte, entschieden sich die Bosse für eine andere Strategie:

Sie versetzten die Leute in ein stillgelegtes Gebäude mit dem Namen Palazzina Laf. Qualifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter des Stahlwerks waren dort zum Nichtstun verdammt und sollen dazu gebracht werden, zu kündigen oder eine minderwertige Stelle anzunehmen.

Toxisches Stahlwerk

Während das Stahlwerk wegen gravierender Umweltschäden, Krebserkrankungen und gewerkschaftsfeindlicher Massnahmen immer mehr in die Kritik geriet, versuchte man, die aufmüpfigen Arbeiterinnen und Arbeiter zu isolieren. Diese Ereignisse werden im Film «Palazzina Laf» von Michele Riondino (45) aufgearbeitet. Der Film basiert auf dem Buch «Fumo sulla città» und erzählt die Geschichte von Caterino Lamanna, einem Arbeiter, der vom Management als Spitzel eingesetzt wurde, um kritische Kollegen zu identifizieren. Als er selbst in das Palazzina Laf versetzt wird, erkennt er die systematische Demütigung der Leute, die dort vor sich hinvegetieren müssen.

Tragisch und lustig

Der Film wurde beim Festival del Cinema di Roma im Jahr 2023 uraufgeführt und gewann mehrere David-di-Donatello-Preise, darunter für den besten Hauptdarsteller (Michele Riondino), den besten Nebendarsteller (Elio Germano) und den besten Originalsong. «Palazzina Laf» ist ein Beispiel für das «cinema civile», einen Film, der einen krassen Fall von Überwachung und Mobbing in der italienischen Industriegeschichte aufzeigt. 

Der Film überzeugt nicht nur durch die Schauspieler und die Industriekulisse, er ist trotz der tragischen Geschichte in manchen Situationen auch sehr lustig. Und die Geschichte des Stahlwerks geht auch in der Realität weiter: Seit Anfang 2024 ist das Ex-Ilva Stahlwerk, mit heute etwa 8000 Angestellten, wieder unter staatlicher Verwaltung. Das Krebsrisiko in der Umgebung des Stahlwerks ist bei Kindern etwa um 50 Prozent höher als im restlichen Italien. 

Palazzina Laf läuft in der Cinématte in Bern, im Xenix in Zürich und in weiteren Deutschschweizer Kinos. 

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