Über 10'000 Baubüezer auf der Strasse
«Sonst demonstrieren wir bald an einem Arbeitstag!»

Die Gewerkschaften riefen und die Bauleute kamen in Scharen. In Zürich und Lausanne gingen die Büezer auf die Strasse und machen damit Druck auf die Baumeister, dass diese in den Verhandlungen um den neuen Landesmantelvertrag endlich auf ihre Forderungen eingehen.

GUTE STIMMUNG, KLARE BOTSCHAFTEN: Die Baubüezer haben in Zürich und Lausanne ihre Forderungen auf die Strasse gebracht. (Foto: Manu Friederich)

Trommeln, Pfeifen, rotes Fahnenmeer um die blaue Limmat. Zürich voller Bauarbeiter. Angereist aus der ganzen Deutschschweiz und dem Tessin.

Impressionen aus Zürich:

Gleiches Bild in Lausanne, wo sich die Bauleute der Romandie versammelt haben.

Impressionen aus Lausanne:

Die Gewerkschaften Unia und Syna, die zu den Demonstrationen aufgerufen haben, zählen über 10’000 Teilnehmende.

work hat sich unter die Büezerinnen und Büezer gemischt und sie gefragt, warum sie heute auf die Strasse gehen. So etwa Camili, der seit Jahren im Tiefbau chrampft und ein Jahr vor der Pensionierung steht. «Ich bin hier, um die Jugend zu unterstützen», sagt er. Denn: Auf dem Bau werde es immer schlimmer, Druck und Stress würden zunehmen. «Und am Feierabend fahren alle mit diesem gestressten Gefühl nach Hause», so der St. Galler.

SETZT SICH FÜR DIE JUNGEN EIN: Baubüezer Camili.

Im Unia-Chäppi und mit der roten Fahne über den Schultern ist Roland unterwegs. Der Zürcher Schweisser und Gleisbauer sagt:

Wir müssen Gegendruck erzeugen. Denn ohne Druck machen die Chefs, was sie wollen.

Wichtig findet er unter anderem die Forderung nach bezahlter Reisezeit. Auf dem Bau sei man ständig unterwegs. Büezer Enrico pflichtet ihm bei. Die bezahlte Reisezeit müsste eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn er über die Baumeister spricht, hört man den Ärger in seiner Stimme:

Sie wollen, dass wir Überstunden schieben, um so schnell wie möglich fertig zu werden und am Ende beschweren sie sich darüber, dass wir zu viele Überstunden angehäuft haben. Denen geht es doch nur um eines: Die wollen sich einfach ungeniert die Taschen füllen.

GEKOMMEN, UM GEGENDRUCK ZU ERZEUGEN: Die Bauleute Roland (l.) und Enrico.

Die Sympathie auf sicher hatten die Baubüezer auch seitens der neue Lernendenbewegung «Scorpio», die mit einem eigenen Transparent die deutliche Botschaft verbreiteten: «Ausbildung statt Ausbeutung.»

JUGENDBEWEGUNG: Scorpio an der Baudemo in Zürich.

Und auch die Klimastreikbewegung rief zur Unterstützung der Bau-Demo auf. Auf ihrem Transparent stand «Arbeitszeitverkürzung jetzt! Mehr Zeit, weniger Emissionen». Solidarisch fügten sich auch die Holzbauerinnen und Holzbauer in den Demo-Umzug ein. «Der Angriff auf euch ist ein Angriff auf uns alle!», stand auf ihrem Transparent. Ebenso vor Ort sind Pflegerinnen und Pfleger, um die Bauleute zu unterstützen.

SOLIDARISCH: Die Holzigen unterstützen die Baubüezer.

Gefährliche Arbeit und zu lange Tage

An der Schlusskundgebung auf dem Helvetiaplatz in Zürich fasste Nico Lutz, Leiter der Verhandlungen und Bauverantwortlicher der Unia, die heutigen Realitäten auf dem Bau zusammen:

In den letzten 10 Jahren wurde in der Schweiz 20 Prozent mehr gebaut – und das mit weniger Personal. Die Bauarbeiter sind heute extrem unter Druck und als Resultat verlässt jeder zweite ausgebildete Maurer heute die Branche.

Eines der grössten Probleme seien die extrem langen Arbeitstage, die auch zu einem erhöhten Unfallrisiko führten. Für dieses Problem müsse der neue Landesmantelvertrag (LMV) dringend eine Lösung liefern.

GEGEN DIE LANGEN ARBEITSTAGE: Nico Lutz bei seiner Ansprache in Zürich. (Foto: Manu Friederich)

Und Unia-Präsidentin Vania Alleva sprach in Lausanne in die Menge: «Wer hat diese Gebäude gebaut? Und die Strassen? Die Schulen? Die Tunnel? Das wart ihr.» Grosser Applaus von den Büezerinnen und Büezern. Die Unia-Präsidentin betonte, dass die Arbeit der Bauleute nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich ist: «Jeder sechste Bauarbeiter erleidet ein Unglück und in den letzten fünf Jahren sind fast 100 Kollegen auf Schweizer Baustellen gestorben.» Auch sie ging auf die langen Arbeitstage der Bauleute ein und sprach in die Menge:

Wenn ihr am Abend erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt, fehlt euch die Energie, um euch eure Familie zu kümmern. Das muss sich ändern.

FÜR SICHERERE ARBEITSPLÄTZE: Vania Alleva bei ihrer Ansprache in Lausanne. (Foto: Lucas Dubuis)

Bereit für einen Streik

Die LMV-Verhandlungen haben Anfang April mit Sondierungsgesprächen der Vertragspartner begonnen. Was genau den Meistern diesmal vorschwebt, weiss man noch nicht. Doch Nico Lutz erinnerte in Zürich daran, dass der Baumeisterverband in vergangenen Verhandlungen jeweils noch längere Arbeitstage, noch mehr Überstunden und selbst Lohnkürzungen für ältere Bauarbeiter forderte. «Damit wären die bestehenden Probleme bloss verschärft worden», so Lutz.

Er gehe daher auch diesmal von «anspruchsvollen Verhandlungen» aus und warnte vor der Einschätzung, die Vertragserneuerung werde ein «Sonntagsspaziergang». Trotzdem zeigte sich Lutz auch zuversichtlich. Denn die Bauarbeiter hätten in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie für ihre Rechte und Respekt kämpfen, wenn es nötig ist. Das sei auch diesmal der Fall.

Mindestens bei den Teilnehmenden der heutigen Demonstration scheint dies definitiv der Fall zu sein. Den lautesten Beifall erhielt jedenfalls Bauarbeiter Giuseppe aus Biel. Seine Rede schloss er mit folgenden Worten:

Dieses Mal sind wir an einem Samstag hier. Aber wenn wir in den Verhandlungen nicht das bekommen, was uns zusteht, dann demonstrieren wir nächstes Mal halt an einem Arbeitstag. Dann streiken wir!

Vier gewinnt! Das fordern die Bauarbeiter konkret:

  1. Kürze Arbeitstage – acht Stunden sind genug. Es braucht einen Schutz gegen überlange Arbeitstage und die Einschränkung der Arbeit am Samstag.
  2. Die Znüni-Pause soll entschädigt werden, so wie es in anderen Branchen längst eine Selbstverständlichkeit ist.
  3. Heute zählt die Reisezeit vom Betrieb zur Baustelle nicht zur Arbeitszeit – obwohl es das Gesetz anders vorsieht. Und: eine halbe Stunde pro Tag wird gar nicht bezahlt! Reisezeit im Auftrag der Firma ist klar Arbeitszeit und muss von der ersten Minute an entschädigt werden.
  4. Es braucht eine anständige Lohnerhöhung für alle und einen gesicherten Teuerungsausgleich für die Zukunft. Nur so kann die Kaufkraft der Bauarbeiter erhalten bleiben.

Weitere Impressionen von der Baudemo in Zürich:

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