Ukraine: Oberster Gewerkschafter verhaftet, Zentrale beschlagnahmt
Selenski will den Gewerkschaften ans Leder

Neoliberale in Kiew wollen das Arbeitsrecht schleifen. Und müssen dazu erst die Gewerkschaften aus dem Weg räumen.

KEIN FREUND DER GEWERKSCHAFTEN: Wolodimir Selenski. (Foto: Keystone)

Angedroht hatte es Wolodimir Selenski schon lange. Nun hat der ­ukrainische Staatschef ernst gemacht. Er liess das «Haus der Gewerkschaften» beschlagnahmen und an einen privaten Manager übertragen. Damit verliert der landesweit grösste Gewerkschaftsbund FPU nicht nur seinen Verwaltungshauptsitz im Zentrum Kiews, sondern auch seine historisch wichtigste Immobilie.

Durchgeführt hat die Konfiszierung die Nationale Agentur für die Suche und Verwaltung von Vermögenswerten (Arma). Auf ihren Coup scheint die Behörde sichtlich stolz. So zeigt sie in einem mit martialischer Musik unterlegten Video, wie ihre Agenten das Gewerkschaftshaus stürmen und besetzen.

Unia sichert Solidarität zu

Schon am 9. April waren fünf Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet worden, darunter Grygoriy Osovyi, Präsident des FPU und ­Exekutivrat im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB). Er war gerade auf dem Weg an eine regionale Versammlung, als ihn die ­Polizei abführte. Der Grund: Er soll eine «kriminelle Organisation» mitgegründet und Gewerkschaftseigentum veruntreut haben. Die Staatsanwaltschaft forderte 60 Tage Haft. Letztlich wurde Osovyi schon nach einer Nacht in Untersuchungshaft entlassen, steht seither aber unter Hausarrest.

WURDE VERHAFTET: Gewerkschafter Grygoriy Osovyi. (Foto: ZVG)

Der Europäische Gewerkschaftsbund hat die Repression gegen sein Exekutivmitglied sofort verurteilt. Auch Unia-Präsidentin Vania Alleva hat dem FPU die «volle Solidarität» zugesichert. Ebenso Luc Triangle, Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbunds:

Die Verhaftung ist ein direkter Angriff auf die Rechte aller Arbeitenden und eine ernste Bedrohung für den sozialen Zusammenhalt in der Ukraine.

Kriegsrecht ausgenützt

Hintergrund der Angriffe ist ein alter Kampf um das teils noch sowjetisch geprägte Arbeitsrecht. Neoliberale Kreise wollen es möglichst komplett schleifen, sind aber bisher von den Gewerkschaften gebremst worden. Doch seit der russischen Vollinvasion sind diese arg geschwächt und mit humanitärer Nothilfe beschäftigt. Tausende ihrer Mitglieder stehen an der Front. Und Streiks oder Demos sind unter dem Kriegsrecht verboten. Eine günstige Gelegenheit, die sich die Regierung nicht entgehen lassen will.

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