Schreiner Stefan Vovchanski (30) wehrt sich gegen Abzockerchef
«Jetzt muss der Chef mir 11’000 Franken bezahlen!»

Der Chef von Stefan ­Vovchanski schuldete ihm Tausende Franken Lohn. Doch zusammen mit der Unia erkämpft sich der Schreiner das Geld zurück.

STEFAN VOVCHANSKI: «Mir ist das Urteil wichtiger als das Geld. Denn ich war nicht der einzige Arbeiter, der um seinen Lohn geprellt wurde! Doch nicht alle hatten den Mut, sich zu wehren.» (Foto: Michael Schoch)

«Eigentlich bin ich nicht der Typ für Konflikte, mir ist es wichtig, immer friedlich zu einer Lösung zu kommen. Aber bei meinem alten Chef brachte Diplomatie irgendwann nichts mehr.» Der Chef von Schreiner Stefan Vovchanski wollte ihn um über 11 000 Franken prellen. Bestehend aus Lohnanteilen, Überstunden und Bonuszahlung. Doch das liess sich Vovchanski nicht bieten, und klagte vor Gericht.

Zu Beginn hatte Vovchanski wenig Wissen über das hiesige Arbeitsrecht. Erst vor drei Jahren ist der 30jährige mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen aus der Ukraine geflüchtet. Die Familie fand in Mar­thalen ZH ein neues Zuhause, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Schaffhausen. Vovchanski sagt:

Ich bin sehr dankbar, sind wir in Marthalen gelandet. Das ganze Dorf hat sich sehr um uns geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer gekümmert. Auch unsere Kinder wurden in der Schule herzlich aufgenommen. Nach drei Jahren können wir sagen, dass sich das Dorf wie eine zweite Heimat anfühlt.

Bereits kurze Zeit nach ihrer Ankunft in der Schweiz fand Vovchanskis Frau eine Stelle in einem Restaurant. «Sie hatte grosses Glück, bei einem Betrieb gelandet zu sein, der ihre Arbeit schätzt und einen fairen Umgang pflegt», so der 30jährige. Er weiss, wovon er spricht. Denn dieses Glück hatte er nicht.

Schamlos ausgenutzt

Bereits in der Ukraine arbeitete Vovchanski als Handwerker in diversen Bautätigkeiten. Weil er bei seiner Ankunft in der Schweiz keine Deutschkenntnisse hatte, entpuppte sich die Jobsuche als Herausforderung. So fokussierte er sich erst auf das Deutschlernen und besuchte ein halbes Jahr einen Intensivkurs. Die neu gewonnenen Sprachkenntnisse erleichterten ihm die Stellensuche sehr. Und so fand er Arbeit als Schreiner bei einer Bude in Zürich.

Vovchanski sagt:

Im Geschäft traf ich auf viele Landsleute. Das war einerseits schön, doch schnell merkte ich, dass der Chef unsere Ahnungslosigkeit über das Schweizer Arbeitsrecht zu seinen Gunsten ausnutzte.

Die Arbeit war körperlich anstrengend. Schon morgens musste er eine Schmerztablette nehmen, damit er das Geschleppe auf der Baustelle aushalten konnte. Zudem zahlte ihm der Chef während Monaten zu wenig Lohn aus. Mit der Zeit kam eine stattliche Summe zusammen: «Der Chef schuldete mit über 11 000 Franken!» Das wollte Vovchanski nicht auf sich sitzen lassen. Vovchanski war bereits Mitglied der Gewerkschaft Unia. So holte er sich Hilfe beim Unia-Rechtsdienst der Region Zürich-Schaffhausen.

Vovchanski erzählt, wie er selbst keinen Plan gehabt habe, wie er das fehlende Geld von seinem Chef einfordern könne. Ihm wäre es lieber gewesen, den Konflikt unter vier Augen zu klären. Zwei Schlichtungstermine schwänzte der Chef. Mitte März dann das erleichternde Urteil: Vovchanski hat es jetzt schwarz auf weiss: «Der Chef muss mir über 11 000 Franken bezahlen.» Schreiner Vovchanski sagt: «Mir ist das Urteil wichtiger als das Geld. Denn ich war nicht der einzige Arbeiter, der um seinen Lohn geprellt wurde! Doch nicht alle hatten den Mut, sich zu ­wehren.»

Party am 1. Mai

Nach dieser Erfahrung beschloss Vovchanski, es besser zu machen. Er eröffnete eine eigene Bude für Montage- und Schreinerarbeiten. Dort beschäftigt er mittlerweile 10 Personen. Viele davon Landsleute, die als ukrainische Geflüchtete auf dem Schweizer Arbeitsmarkt Fuss zu fassen versuchen. Darunter auch ehemalige Arbeitskollegen, die bereits mit ihm beim Abzockerchef gearbeitet hatten. Wichtig ist ihm, dass seine Kollegen über ihre Rechte Bescheid wissen. «Ich habe dank der Unia und der Rechtsvertretung von Vadim Drozdov viel über meine Rechte gelernt.» Deshalb legt er seinen Mitarbeitenden nahe, auch Gewerkschaftsmitglied zu werden.

Vom Preis- und Termindruck auf dem Bau will sich Vovchanski nicht unter Druck setzen lassen. «Mir ist es wichtig, dass wir die Arbeit gut machen. Ich habe ein super Team zusammengestellt, wir können uns aufeinander verlassen», so der Handwerker. Das sei auf der Baustelle das Wichtigste!
Und was steht am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, beim Schreiner auf dem Programm?

In meiner Bude ist das ein Feiertag! Und den feiern wir, wie er in meiner Heimat, der Ukraine, gefeiert wird: Draussen grillieren und anstossen! Das Wetter macht zum Glück mit.

Stress mit dem Chef? Die Unia hilft!

Unbezahlte Überstunden? Ein schlechtes ­Arbeitszeugnis? Stress mit dem Chef? Mobbing oder Sexismus am Arbeitsplatz? Wer ­Gewerkschaftsmitglied der Unia ist, kann sich beraten lassen und einen Rechtsschutz beanspruchen. Wichtig: Damit der Rechtsschutz beansprucht werden kann, muss man zum Zeitpunkt des Ereignisses mindestens drei Monate Unia-Mitglied sein. Mehr Infos dazu hier.

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