Parlament greift die tiefsten Löhne an
«Arbeitende Menschen haben diese Verachtung nicht verdient»

Mit einer Motion will das Parlament Mindestlöhne angreifen. Dagegen wehren sich die Gewerkschaften knallhart. Denn die Folgen der sogenannten Motion Ettlin sind schwerwiegende – gerade für Arbeiterinnen und Arbeiter in Tieflohnbranchen. 

ANGRIFF STOPPEN: Gewerkschaften stehen auf für die Tieflohnbeschäftigten. (Foto: Keystone)

Die Löhne in der Tieflohnbranche drohen mit der sogenannten Motion Ettlin zu sinken. Konkret betrifft es Arbeiterinnen und Arbeiter im Gastgewerbe, in der Reinigung, in Coiffeursalons, Tankstellenshops und weiteren Branchen, mit den tiefsten Löhne im Land. Denn die Motion fordert, dass die Löhne gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Vorrang haben. Das bedeutet, dass in Kantonen wie Genf oder Neuenburg, wo das Stimmvolk für Mindestlöhne abgestimmt hat, diese in einzelnen Branchen nicht mehr gelten. Nämlich in jenen, wo ein Gesamtarbeitsvertrag vorhanden ist. Dasselbe würde für die Städte Zürich, Winterthur und Luzern gelten, wo ein städtischer Mindestlohn von der Bevölkerung angenommen wurde.

An der heutigen Medienkonferenz stellt der Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) klar: Die Gewerkschaften wehren sich gegen den Angriff auf tiefste Löhne und die Demokratie! Pierre-Yves Maillard, Präsident des SGB, sagt: «Arbeitende Menschen haben diese Verachtung nicht verdient.» Denn mit dieser Motion würde das Parlament zum ersten Mal in der Geschichte die Löhne per Gesetz senken.

Hunderte Franken weniger im Monat

Anwesend an der Medienkonferenz ist auch Vania Alleva, Vize-Präsidentin des SGB und Präsidentin der Gewerkschaft Unia. Sie nennt konkrete Folgen dieser Motion: «In Genf könnte eine gelernte Coiffeuse mit drei oder mehr Jahren Berufserfahrung bis zu 250 Franken im Monat verlieren. Eine angelernte Mitarbeiterin in der Textilreinigung muss mit weniger 350 Franken auskommen. Im Gastgewerbe sieht es nicht besser aus: Eine Mitarbeiterin mit einem eidgenössischen Berufsattest würde über 200 Franken verlieren.» Besonders Frauen wären von diesen Lohnkürzungen betroffen, da viele in Tieflohnbranchen wie dem Gastgewerbe arbeiten.

Die eingeführten Mindestlöhne – ob kantonale oder städtische – sind gewerkschaftliche Erfolge (work berichtete). Dass die Gesamtarbeitsverträge nun gesetzliche Bestimmungen aushebeln sollten, ist undemokratisch und gegen den Willen der Stimmbevölkerung. SGB-Chefökonom Daniel Lampart sagt:

Statt das im Parlament die höchsten Löhne der Schweiz gedeckelt werden, greift es die Ärmsten im Land von unten an.

Gerade unsoziale Arbeitgeberverbände drücken die Löhne immer weiter und verweigern teilweise sogar die Gespräche mit den Gewerkschaften. Lampart nennt dazu das Beispiel Casimir Platzer. Er ist ehemaliger Präsident von Gastro Suisse und verweigerte über Jahre Gespräche mit Gewerkschaften (work berichtete). Dadurch kamen die Löhne im Gastgewerbe immer weiter unter Druck.

Breite Allianz

Selbst der Bundesrat, fast alle Kantone, der Städteverband und sogar Teile der Arbeitgeberverbände lehnen die Vorlage ab. «Warum? Weil sie wissen: Diese Gesetzesänderung ist ungerecht, undemokratisch und gefährlich», sagt die Unia-Präsidentin. Gerade im Hinblick auf anstehende Debatten wie etwa die Kampagne der SVP zur Initiative «10-Millionen-Schweiz» (work berichtete) ist es um so wichtiger, ein klares Zeichen für Lohnschutz einzustehen.

SGB-Präsident Maillard sagt vor den Medien: «Arbeit muss sich in diesem Land lohnen. Und wer arbeitet soll dementsprechend einen Lohn verdienen, der zum Leben reicht.»

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