Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Häufiger Personalwechsel ist im Verkauf üblich. Die Gründe für die Kündigungen sind bei uns meist der niedrige Lohn, die langen Arbeitszeiten und der Stress. Eine Zeitlang war es bei uns im Laden, was das angeht, ziemlich ruhig, und wir ­waren ein eingespieltes Team. Die Abgänge in den letzten Wochen gingen mir sehr nahe, weil ich mich mit den «alten» Gspönli angefreundet habe.

Aktivismus

Jetzt sind neue Leute im Team, und ich finde das spannend. Es ergeben sich interessante Gespräche, und für mich öffnet sich immer wieder eine neue Welt, neue Geschichten. Und andersherum auch. Ein neues Gspönli fragte mich letztens, ob ich in der Gewerkschaft sei, weil an diesem Tag die Unia im Laden war und informierte. Ich antwortete voller Überzeugung: «Ja, klar bin ich dabei!» «Und was bringt dir das?» war die nächste Frage, wenig enthusiastisch. «Aktivismus!» sagte ich noch überzeugter. Die Verwirrung war greifbar, und ich erzählte, während ich die ­Joghurts einräumte, über meine Erfahrungen mit der Unia, den Menschen, die ich kennengelernt habe, und unsere Erfolge, wie zum Beispiel die Lohnerhöhung. Und über Schulungen, die ich besucht habe, das gewerkschaftliche und politische Wissen, das ich mir durch die Unia angeeignet habe. Und natürlich über den Feminismus, der mich gepackt hat. Die Verwirrung wich einem Staunen. Damit hatte sie nicht gerechnet.

Unkenntnis

Ich hätte noch stundenlang erzählen können, aber eine Menge Joghurts warteten. Nach diesem Gespräch sinnierte ich während des Einräumens vor mich hin, wie schade das ist, dass so viele Menschen um mich herum die Gewerkschaft in einem schlechten Licht ­sehen. Als Superfeindin des Unternehmens, die nichts macht und allen schadet. Noch schlimmer finde ich, dass wir die Probleme innerhalb des Unternehmens einfach so hinnehmen. Dabei könnten wir alle gemeinsam dagegensteuern. Aber das habe ich auch jahrelang nicht getan. Warum? Meist aus Angst vor der Kündigung. Das war grundlos: Ich bin noch da. Oder aus Angst davor, was andere von mir denken könnten. Das ist mir heute egal. Und auch aus Unkenntnis. Ich hatte keine Ahnung, was eine Gewerkschaft tut, wie viel Arbeit und Kampfgeist dahintersteckt. So wie ich mich mit diesem Kampfgeist angesteckt habe, hoffe ich, dass weitere sich in meinem Umfeld anstecken lassen. Damit die neuen Gspönli auch länger bleiben.

Illu: Laura Gonzalez Martinez

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