Kezia Ortiz (28) reinigt Hotelzimmer. Als feministische Aktivistin setzt sie sich für gute Arbeitsbedingungen und Gleichberechtigung ein. Hier in der Schweiz und auch in ihrer Heimat Brasilien. 

KEZIA ORTIZ ÜBER DIE UNIA: «In der Bewegung fühle ich mich stärker, denn ich sehe, dass es andere Frauen gibt, die in der gleichen ­Situation sind wie ich, und dass wir zusammen kämpfen.» (Foto: Jakob Ineichen)

Kezia Ortiz (28) weiss noch nicht, ob sie am 1. Mai arbeiten muss. Als Reinigerin in einem Luzerner Hotel muss sie an diesem Tag kurzfristig auf Abruf bereit sein. Falls sie freihat, wird sie sich am Morgen mit der Unia-Frauengruppe in Luzern auf einen Kaffee treffen, Protestschilder malen und dann mit der Gruppe durch die Stadt zum Bahnhof spazieren sowie für bessere Arbeitsbedingungen demonstrieren. Am Weltfrauentag am 8. März war Ortiz ebenfalls zusammen mit der Frauengruppe in Luzern unterwegs. Sie sagt:

Ich mache, was ich kann, um den Frauen zu helfen, das war auch schon in Brasilien so.

2500 Franken Monatslohn

Vor zwei Jahren ist Ortiz aus Brasilien in die Schweiz gekommen. In der Unia habe sie sich gleich zu Hause gefühlt, auch wenn sie hier weit weg von ihrer Heimat ist. Ortiz sagt: «In der Bewegung fühle ich mich stärker, denn ich sehe, dass es andere Frauen gibt, die in der gleichen Situation sind wie ich, und dass wir zusammen kämpfen.» 

ÜBERZEUGTE FEMINISTIN: Kezia Ortiz. (Foto: Jakob Ineichen)

Ortiz arbeitet als Hotelreinigerin im Stundenlohn. Wenn das Wetter gut ist und während der Ferienzeit ist das Hotel ausgelastet, und es gibt genügend Arbeit. Mit ihrem Stundenlohn von 21 Franken netto kommt sie in der Regel auf ein monatliches Einkommen von etwa 2500 Franken.

20 Minuten pro Hotelzimmer

Ortiz sagt: «Viele Hotels beschäftigen die Frauen im Stundenlohn. Im letzten Hotel, in dem ich gearbeitet habe, waren nur vier von vierzig Frauen in einem fixen Pensum angestellt.» Die sehr tiefen Löhne, die Diskriminierung der Frauen und die Fremdenfeindlichkeit sieht sie als grösste Probleme in ihrem Job. Und es gibt auch Zeitstress: Zur Reinigung eines Hotelzimmers sollte sie nicht mehr als zwanzig Minuten brauchen, diese Zeit reicht kaum. 

ARBEITET UNTER ZEITDRUCK: Als Hotelreinigerin gehört Stress zum Alltag von Kezia Ortiz. (Foto: Jakob Ineichen)

Gleichzeitig ist Ortiz aber auch dankbar, dass sie diesen Job gefunden hat: «Die Arbeit als Hotelreinigerin ist ein guter Einstieg in die Schweizer Arbeitswelt, und sie ist auch mit geringen Deutschkenntnissen möglich.» Bei der Arbeit spricht Ortiz alle möglichen Sprachen, vor allem Portugiesisch. Sie sagt:

Hier in der Schweiz lernst du die ganze Welt kennen, Schweizerinnen und Schweizer gibt es fast keine in meinem Umfeld.

Auf den Barrikaden

Auch in ihrer Heimat Brasilien war sie aktivistisch unterwegs. Sie erzählt:

Die Probleme sind viel grösser und der Protest viel lauter und gefährlicher als hier.

Mit der brasilianischen Landlosenbewegung MST hat Ortiz auch schon an Strassensperrungen teilgenommen. Und als Jair Bolsonaro an der Macht war, hat sie sich an den grossen feministischen Protesten gegen den Ex-Präsidenten beteiligt.

Seit ihrem Geschichtsstudium ist Ortiz auch eine überzeugte Feministin. Im Jahr 2022 schrieb sie ihre Abschlussarbeit über die Absetzung von Ex-Präsidentin Dilma Rousseff. Ortiz zeigt in ihrer Arbeit, wie die erste Präsidentin in der Geschichte Brasiliens Opfer einer politischen Kampagne wurde, die sich auch ganz allgemein gegen Frauen in der Politik richtete. Ortiz analysierte auch die Rolle von grossen Zeitungen, die mit ihrem Fokus auf oberflächliche Elemente, wie zum Beispiel die Kleidung der Präsidentin, zur Stimmungsmache und zur Absetzung der Präsidentin beitrugen.

HAT GESCHICHTE STUDIERT: Kezia Ortiz will ihr Studium auch in der Schweiz anerkennen lassen. (Foto: Jakob Ineichen)

Ortiz sagt: «Kein einziges Land ist perfekt, und es gibt immer Gruppen, die zum Schweigen gebracht werden sollen und die sich ihren Raum erkämpfen müssen.» In Brasilien seien es mehr die Indigenen, hier in der Schweiz mehr die Immigrantinnen und Immigranten. Aber überall auf der Welt betreffe es die Frauen. Ortiz will jetzt besser Deutsch lernen und ihr Studium auch in der Schweiz anerkennen lassen, um irgendwann auch als Geschichtslehrerin arbeiten zu können. Und so weiter für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung kämpfen. 

Das läuft am 1. Mai

«Solidarität statt Hetze – gemeinsam stark!» Unter diesem Motto geht die Unia am diesjährigen Tag der Arbeit auf die Strasse. 2025 wird insbesondere gegen die Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund, gegen die Sündenbockpolitik auf dem ­Rücken von Minderheiten und ­gegen den Sozialabbau und die Umverteilung nach oben gekämpft. Begleiten Sie uns und kämpfen Sie mit! Was wo läuft am 1. Mai, finden Sie unter diesem Link.

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