Zwangsferien, Lohnklau und Rachekündigungen
Was ist los im Landquarter Shopping-Dorf?

Das absurde Tourismus­verständnis beim Seco bringt das Personal des Fashion Outlet Landquart seit Jahren um den freien Sonntag. Jetzt zeigt sich: Es ist noch viel mehr im Argen!

DEN SONNTAGSVERKAUF ERTRICKST: Das Bündner Shopping-Dorf hat sieben Tage die Woche geöffnet, da angeblich Touristinnen und Touristen ein Bedürfnis danach haben. (Foto: PD)

Graubünden-Reisende kennen es, wenigstens vom Vorbeifahren: Das Shopping-Dorf Fashion Outlet in Landquart. Drei Fussballfelder gross liegt es gäbig zwischen Bahnhof und Autobahn. Wobei die meisten Kaufwütigen motorisiert anbrausen, gerne und vor allem auch sonntags. Zwar hat die Unia jahrelang gegen die Sonntagsarbeit im Fashion Outlet gekämpft. Und 2015 gab ihr das Bundesgericht auch recht und entschied, dass ohne Bewilligung sonntags nicht mehr gearbeitet werden dürfe. Doch dann lockerte der Bundesrat einfach das Sonntagsarbeitsverbot. Und das Staatssekretariat für Wirtschaft befand, das Outlet sei ein Einkaufszentrum, das «den Bedürfnissen des internationalen Fremdenverkehrs» diene. Und ergo 365 Tage öffnen dürfe.

Wer sich wehrt, fliegt

Ausländische Nummernschilder finden sich allerdings kaum auf den Asphaltwüsten vor dem Outlet. Und es sind auch nicht die vielbeschworenen «Skitouristen auf Durchfahrt», die sich massenhaft ins Einkaufsdorf verirren. Sondern hundskommune Turbolädeler und Shopping-Freaks aus der ganzen Schweiz. Ihr Kaufrausch spült der britischen Eignergruppe Via Outlets jährlich Millionen in die Kassen. Das Verkaufspersonal hingegen muss manchmal offenbar schon um minimale Standards kämpfen. Das enthüllt fast schon beiläufig ein Portrait im aktuellen Mitgliedermagazin der Gewerkschaft Syna.

Dort berichtet die Verkäuferin Nadine Dummel von ihrer Karriere im Outlet («Ich liebe meine Arbeit») und von einem Besuch der Syna («Für mich war ­sofort klar: Ich möchte beitreten»). Die Syna unterhält mit dem Outlet seit Jahren einen GAV. Er garantiert unter anderem Mindestlöhne von 3791 bis 4585 Franken, einen 13. Monatslohn und einen Sonntagszuschlag von 50 Prozent. Dummel sagt:

Besonders während des zweiten Corona-Lockdowns wurde mir bewusst, wie wichtig eine Gewerkschaft ist.

Ihr damaliger Chef habe nämlich vom Team gefordert, während des Lockdowns Ferien zu beziehen. Das ist illegal. Aber offenbar nicht genug: «Einige von uns wehrten sich dagegen – und diejenigen, die sich weigerten, wurden später entlassen.» Auch das ein klarer Missbrauch. Die Syna habe aber geholfen – und so noch mehr aufgedeckt!

Syna holt Kanton zu Hilfe

Nämlich dass der 13. Monatslohn «bisher nicht ausbezahlt» worden war. Erst rückwirkend und nach Intervention der Gewerkschaft habe der Ladenbetreiber bezahlt. Mehr verrät der Artikel nicht. work wollte es genauer wissen. Schliesslich hat aktuell auch die Unia Scherereien mit dem Outlet. Mehrere unzufriedene Verkaufsmitarbeitende haben sich bei ihr gemeldet. Doch der Syna-Sprecher Michael Steinke beschwichtigt: Es handle sich um einen Einzelfall, die Sozialpartnerschaft funktioniere gut. Welcher Store gesündigt hat, will er nicht verraten. Und auch zu den Rachekündigungen könne er sich nicht äussern. Generell verfolge die Syna in solchen Fällen ein mehrstufiges Verfahren. Immerhin bei den Konsequenzen wird der Sprecher etwas deutlicher: «Es wurden verstärkte Kontrollen durchgeführt, auch in Zusammenarbeit mit dem Kanton.»

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