Streikstimmung im wertvollsten Casino der Schweiz
Gehen die Tessiner Croupiers «All-in»?

Nach 18 Jahren beendet das Casino Admiral in Mendrisio seine Sozialpartnerschaft. Doch die Mitarbeitenden wollen ihren GAV verteidigen. Über 100 haben sich der Unia angeschlossen.

ARBEITEN TAG UND NACHT: Die Croupiers im Casino in Mendrisio. (Foto: Casino Admiral)

Architektonisch ist es ein billiger Abklatsch eines griechischen Tempels. Doch im Innern des Prunkbaus rollt der Rubel. Die Rede ist vom Casino Admiral in Mendrisio TI. Unter den 21 Spielbanken der Schweiz gehört es zu den grössten und profitabelsten Häusern. Neuerdings erzielt das «Admiral» sogar den mit Abstand höchsten Bruttospielertrag. Das ist die Differenz zwischen den einbezahlten Spieleinsätzen und den ausbezahlten Gewinnen. Oder einfacher gesagt: der Verlust der Spielerinnen und Spieler. 2023 lag dieser bei 74,1 Millionen Franken – und damit fast 11 Prozent höher als im Vorjahr!

Möglich machten dieses Topergebnis auch die rund 240 Mitarbeitenden, fast ausschliesslich Frontalieri aus dem nahen Italien. Sie arbeiten Tag und Nacht. Schliesslich wird im «Admiral» täglich bis 5 Uhr morgens gezockt, an Wochenenden sogar bis 7 Uhr. Bisher nahm die Belegschaft solche Arbeitszeiten in Kauf, da die Verdienstmöglichkeiten verhältnismässig gut sind – dank einem Sonderfall: Das «Admiral» ist nämlich das letzte Schweizer Casino mit einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV)! Ausgehandelt worden ist dieser erstmals 2007 mit der christlichsozialen Gewerkschaft OCST. Doch Mitte Januar kündigte die Admiral-Geschäftsleitung den Vertrag überraschend auf Ende 2025. Und seither braut sich was zusammen in Mendrisio.

Kommt es zu Kürzungen wie in Lugano?

OCST-Sekretär Nenad Jovanovic sagt: «Ohne GAV werden die jetzigen Bedingungen nicht mehr garantiert sein, für die Mitarbeitenden ist das ein schlechtes Signal.» Das sieht auch Vincenzo Cicero von der Tessiner Unia so. Er verweist auf die Casinos von Lugano und Locarno. Dort hätten die Casino-Chefs die GAV schon 2011 beziehungsweise 2023 gekündigt – mit happigen Folgen:

In Lugano gab es Lohnkürzungen von bis zu 30 Prozent, Entlassungen und prekäre Verträge.

Und Cicero betont, dies sei ausgerechnet unter jenem Direktor geschehen, der heute im «Admiral» das Zepter führe.

BILLIGER ABKLATSCH EINES GRIECHISCHEN TEMPELS: Das Tessiner «Admiral»-Casino. (Foto: Casino Admiral)

Aber warum mischt sich die Unia eigentlich ein in eine Vertragsangelegenheit zwischen der OCST und dem «Admiral»? Cicero erklärt:

Im letzten Jahr haben sich über hundert ‹Admiral›-Angestellte bei uns eingeschrieben mit der Bitte, bei der Erneuerung des GAV zu helfen.

Von Erneuerung wollte die Casino-Leitung aber offenbar nichts wissen, sondern hat sich im Gegenteil für ein Vabanquespiel gegen die Gewerkschaften entschieden. Wobei sie bemüht ist, das Risiko zu minimieren: Die Arbeitsbedingungen würden nicht angetastet, wird versichert. Für Cicero ergibt das keinen Sinn: «Wenn angeblich alles beim alten bleibt, gibt es es ja keinen Grund, den GAV zu künden!» Er und OCST-Kollege Jovanovic berichten ausserdem noch von anderen Alarmsignalen.

Gewerkschaftsdelegierte entlassen

In den letzten Wochen sei es zu verschiedenen Druckversuchen auf engagierte Mitarbeitende gekommen. Mehr noch: «Binnen drei Wochen wurden sechs Mitarbeitende entlassen», sagt Cicero. Betroffen seien einige der kritischsten Mitarbeitenden und sogar Delegierte der Gewerkschaft. Die Casino-Leitung bestätigte die Entlassungen gegenüber «Ticinonews», erklärte sie jedoch mit mangelhafter Arbeitsleistung und veränderten Kundengewohnheiten. So sei das personalintensive Tischgeschäft im letzten Jahr um 19 Prozent eingebrochen, während das Automatengeschäft zugenommen habe.

DRUCKVERSUCHE: Das Casino hat bereits mehrere Mitarbeitende entlassen. (Foto: Casino Admiral)

Wie auch immer. Der Konflikt im «Admiral» ist alles andere als beigelegt. Laut Unia-Mann Cicero hat die Geschäftsleitung zwar einem Treffen auf Anfang Februar zugestimmt. Ob dort die GAV-Kündigung zurückgenommen wird, scheint allerdings fraglich. Was dann? Wagt die Belegschaft das «All-in»? Oder heisst’s am Ende «Rien ne va plus»? Cicero will sich nicht in die Karten blicken lassen, sagt aber:

Die einzige Möglichkeit, eine solche Entscheidung zu kippen, liegt in einer entschiedenen Aktion, die auf das Kräfteverhältnis abzielt.

Casino-Löhne: Besser unterwegs dank GAV

Aus Deutschschweizer Optik sind die Löhne im «Admiral» tief. Ein Croupier etwa hat im ersten Jahr gerade mal Anspruch auf 3738 Franken, Büroleute kommen auf maximal 4000 Franken, und ein «Table Game Inspector/Dealer» hat minimal 4450 Franken zugute. Das garantiert der von der OCST ausgehandelte und (noch) geltende GAV. Für Tessiner Verhältnisse seien das keine unüblichen Löhn, sagt Unia-Sekretär Vincenzo Cicero. Und für viele Grenzgängerinnen und Grenzgänger seien es sogar attraktive Bedingungen – zumal die übrigen Tessiner Casinos «deutlich schlechter» abschnitten. So garantiert der «Admiral»-GAV auch fünf Wochen Ferien, Dienstalterprämien oder den 13. Monatslohn.

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