Post aus Hanoi
Warum die Polizei seinen Block stürmte

Ex-work-Kolumnist Marius Käch lebt heute in ­Hanoi. Gegen Immobilien-Haie geht’s dort hart zur Sache.

Marius Käch ist gelernter Maurer, ­ehe­maliger work-Kolumnist und jetzt ­Englischstudent in Vietnam.

Vor über einem Jahr bin ich nach ­Hanoi geflogen – voller Pioniergeist und Vorfreude auf mein Studium an der Nationalen Universität Vietnams. Doch die Arbeit auf dem Bau, die Unia und die Schweiz fehlen mir doch ein wenig.

Hier lebe ich in einem Wohnblock zwischen Müllfrauen, Motorradkurieren, Handwerkern und Lehrerinnen – alles hart arbeitende Menschen, die ihr Eigenheim mit ehrlicher Arbeit verdient haben. Eine friedliebende Gemeinschaft, die mich schnell aufgenommen hat. Aber in die Suppe spucken sollte man denen nicht! Das zeigen schon die roten Fahnen mit ­goldenem Stern an all den Häusern. Es ist die Flagge der Revolution und der heutigen sozialistischen Republik.

Der Investor, der hier gebaut hat, woll­­te das aber unbedingt auf die harte Tour lernen. Bis heute hat der Geizkragen keine Besitzurkunden für die Eigentumswohnungen ausgestellt. So kann er nämlich die Strom- und Wassergebühren selbst erheben und die Hausbewohnenden nach Belieben auspressen. Das ist zwar vertragswidrig, funktioniert aber oft. Nicht in unserem Fall! Fast der ganze Wohnblock ist in den Zahlungsstreik getreten – und zwar ohne grosses Tamtam, einfach aus Prinzip. Bezahlt wird seither nur noch das Vereinbarte, aber kei­­ne Wucherzinsen für Strom und Wasser.

Sturmtrupp

Der grosse Knall kam am 24. Oktober: Der Investor drohte Bewohnerinnen mit Gewalt, kappte den Strom in den Gemeinschaftsbereichen samt Lift und liess die Wasseruhren ausbauen, um ‹unkooperative› Haushalte auszutrocknen. Das war zu viel! Wir Nachbarn gingen aufs nächste Revier der Volkspoli­zei. Eigentlich wäre für Mietsachen ja das Volks­komitee zuständig, doch es war spät am Abend, und so blieb die Sache bei der Polizei hängen. An unserem Abzock-Investor hatten die Beamten gar keine Freude. Dass sie aber derart reagierten, erstaunte mich dann doch: Kaum hatten wir die Anzeige deponiert, rückte ein ganzer Trupp aus – und stürmte kurzerhand den Wohnblock! Dem Investor wurde an Ort und Stelle beschieden:

Hände weg von Strom und Wasser! Das ist Menschenrecht in unserem Land!

Doch nicht genug. Noch in derselben Nacht musste sich der Ab­zocker mit uns und der Polizei an einen Tisch setzen. Er stammelte, das Gebäude werfe keinen Profit ab und bringe ihn in eine finanzielle Notlage. Darauf die Polizei: ‹Wenn’s wirklich so schlimm ist, dann muss man Ihnen doch helfen und Sie von der Bürde Ihres Eigentums befreien!›

Das Gesicht des Investors werden wir so schnell nicht vergessen! Die Wasser­uhren muss er wieder einbauen, und es drohen rechtliche Konsequenzen. Das Beste aber ist: Ab sofort geht die Kontrolle unseres Blocks an die demokratische Selbstorganisation der Bewohnenden über. Der Investor muss seine Verpflichtungen erfüllen, bis das Blockkomitee steht und die ganze Sache übernimmt. Eigentum korrekt an die Bewohner übertragen, das ist jetzt angesagt – so der Befehl der Uniformierten. Bis alle Besitzurkunden da sind, wird der Block gehalten – Schulter an Schulter mit den Behörden. Auch mal eine Erfahrung!»

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