Tiefer Fall: Henrique Schneider wird SVP-Generalsekretär

Plagiator, Plagööri, Partei­sekretär

Jonas Komposch

Abgelehnt bei ­Economiesuisse, abgesägt beim Gewerbeverband, abgedankt bei der ­Wettbewerbskommission. Sogar den «Professoren»-Job ist Henrique Schneider jetzt los. Aber von der SVP gibt’s ein Chef-Pöstli!

HOCHSTAPLER MIT NEUEM JOB: Schneider hatte Professuren vorgetäuscht und wurde des Plagiats überführt, bei der SVP übernimmt er nun das Generalsekretariat. (Foto: Keystone)

Diese Ansage überraschte nur mässig: Henrique Schneider (46) übernehme ab 1. März das Generalsekretariat der SVP. Dies teilte die Sünnelipartei am 18. Januar «erfreut» mit. Schneider sei «eine profilierte Persönlichkeit» mit einem «sehr überzeugenden Leistungsausweis». Zur Erinnerung: Der Ap­penzeller Wirtschaftswissenschafter amtete in den letzten 14 Jahren beim Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) lange als Stellvertreter des Direktors Hans-Ulrich Bigler (65). Dieser lief kurz vor der Pensionierung von der FDP zur SVP über. Schneider sollte beim Gewerbeverband in seine Fussstapfen treten. So wollten es die SGV-Delegierten, die ihn zum neuen Direktor wählten – einstimmig! Dabei passte die Personalie überhaupt nicht allen.

GEWERBLER ZOFFEN

Mühe bekundeten besonders solche Gewerbetreibende, die ihren Verband nicht mehr als Seitenwagen der SVP sehen wollten. Mit Schneider schien das nicht zu klappen. Zwar gab dieser sich zuletzt als parteilos aus, doch noch 2020 hatte er sich in der «Weltwoche» als SVP-Mitglied geoutet. So oder so stand sein ideologischer, zuweilen libertärer Rechtskurs fest. Selbst von der extrem rechten Alternative für Deutschland (AfD) hatte er Aufträge angenommen.

Besorgt waren auch jene Wirtschaftsfraktionen, die auf gute Beziehungen mit Europa aus sind, also zum Beispiel Economiesuisse, der traditionell freisinnige Dachverband des Grosskapitals. Dessen Vertreter hatte Schneider einmal als «Sozis vom Hegibach» beleidigt – weil sie zu Kompromissen mit den Gewerkschaften bereit seien! Aus seiner Schimpfis klang aber auch Verbitterung. Immerhin hatte er sich einst selbst bei Economiesuisse beworben – wurde dort aber dankend abgelehnt.

Im Gewerbeverband bahnte sich jedenfalls ein Machtkampf an – erst recht, als die Schneider-Skeptiker scharfe Munition aus dem Hause NZZ erhielten.

MIT FALSCHEN TITELN GESCHMÜCKT

Deren Sonntagsausgabe schoss Schneider regelrecht ab. Sie zeigte, dass der designierte Direktor seit Jahren in seinen «wissenschaftlichen» Veröffentlichungen systematisch abgeschrieben hatte. Und dass er zwei Professuren, nämlich an den Universitäten Wien und Graz, vorgetäuscht hatte. Dabei berief sich die Zeitung auf ein Gutachten des renommierten Plagiatsexperten Stefan Weber. Dieser bezeichnet Schneider heute als «Serien-Plagiator und Titel-Hochstapler».

Wenig später legte die «NZZ am Sonntag» nach: Schneider sei einst ein Schlapphut beim Nachrichtendienst des Bundes ­gewesen. work wiederum listete all die dubio­sen Rechtsaussen-Postillen auf, in denen Schneider publiziert. Für seine angeblichen «unternehmerischen Tätigkeiten» liessen sich hingegen kaum Spuren finden. Schliesslich machte die «Handelszeitung» publik, dass Schneider heimlich einen Job als Kartellrichter angenommen hatte – in England! Brisant war das, da Schneider auch in der Schweizer Wettbewerbskommission (Weko) sass, aber diese über seine neue Funktion in Unkenntnis liess – trotz wahrscheinlichen Interessenkonflikten.

SCHLUSS AUCH IN NORDAKADEMIE

Nun brach im SGV definitiv Streit aus. Auf der einen Seite standen die Schneider-Gegner um SGV-Präsident Fabio Regazzi und den Einsiedler Bierbaron Alois Gmür (beide Mitte). Im Pro-Lager taten sich besonders die Nationalräte Thomas Hurter und Benjamin Giezendanner (beide SVP) hervor. FDP-Vertreter wiederum weibelten auf beiden Seiten – also gegeneinander. Eine klare Mehrheit zog letztlich die Reissleine. Schneiders Wahl wurde widerrufen, und seit Ende Jahr ist seine SGV-Karriere ganz beendet. Auch die Funktion bei der Weko hat er nicht mehr inne. Vorbei ist’s auch bei der Nordakademie, also ausgerechnet jener Privatuni, die Schneider als «Professor» führte, obwohl dieser keine Habilitation hat. Das Arbeitsverhältnis sei per 31. Dezember «einvernehmlich beendet» worden, gibt die Uni auf Anfrage bekannt.


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