Kächs Konter

Ein anderer Knochenjob

Marius Käch

Marius Käch ist Bauarbeiter in Zürich und Gewerkschafter.

Fleissige Leserinnen und Leser dieser Kolumne wissen: Meinen geliebten Maurerberuf musste ich an den Nagel hängen. Weil ich berufsbegleitend eine Ausbildung machen will, sich aber keine einzige Baufirma finden liess, die Teilzeitstellen anbietet. Und trotzdem: Wieder ist es früher Morgen, und ich stehe mit Helm und Arbeitsschuhen auf der Baustelle. Heute wird aber nicht geschalt, gemauert oder betoniert. Heute wird gebuddelt! Und zwar für die Kantonsarchäologie Zürich. Die betreibt auf einer Baustelle des Unispitals eine grosse Grabung. Im 19. Jahrhundert lag hier der Spitalfriedhof. Damit die Gräber und die rund 1500 Skelette nicht einfach weggebaggert werden, kommen die Archäologinnen und ihre Ausgräber wie ich. Wir bergen und dokumentieren die menschlichen Überreste, damit sie für die Erforschung der Krankheitsgeschichten unser Vorfahren zur Verfügung stehen.

Mit Indiana Jones hat meine Arbeit als Ausgräber wenig zu tun.

SKELETTE. Es ist eine sehr spannende Arbeit, und wer einmal dabei war, weiss: mit Indiana Jones hat das Ganze wenig zu tun. Die Archäologie ist eine vielseitige Arbeit, aber ein Knochenjob. Wird auf Baugrund gegraben, sind wir noch vor dem Tiefbau vor Ort. Mit unserem Mini-Bagger ziehen wir kurze Gräben an verschiedenen Stellen. Denn über die Bodenbeschaffenheit können wir bereits viele Fragen beantworten. In welchen Schichten ist der Boden aufgebaut? In welcher Tiefe müssen wir graben? Gibt es moderne Störungen wie Baugruben oder Leitungen?

Für die Grabung in der Fläche tragen wir dann die Erde mit dem Bagger bis über die gewünschten Schichten ab. In unserm Fall, bis wir auf die ersten Anzeichen der Skelette oder Särge stossen. Heikle Präzisionsarbeit! Dann kommt der Hauptteil, die Handarbeit. Mit Spitzhacke und Schaufel beginnen wir vorsichtig. Die Werkzeuge passen wir stets den Funden und ihrem Kontext an. So greift man auch zu Pflastererhämmern und Maurerkellen. Pinsel und kleines Holzwerkzeug wird nur für ganz fragile Objekte wie Fingerknochen verwendet.

SÄRGE. So kommt Sarg um Sarg zum Vorschein. Und längst ist klar: Es waren nicht Herr und Frau «Reich», die hier ihre letzte Ruhe fanden. Alle Körper wurden seziert, nicht wenige für medizinische Experimente gebraucht. Viele haben kaputte Zähne und Spuren harter Arbeit. Und manche wurden offensichtlich achtlos in die Särge geworfen.

Da frage ich mich, wie das dereinst bei uns der Fall sein wird. Was wird die Archäologie der Zukunft aus unseren Gebeinen schliessen? Sicher ist: Auch Arbeitshetze und Überstunden werden Spuren hinterlassen.

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