Sarina Meier pflegt gerne alte Menschen. Gerade deshalb engagiert sie sich für bessere Bedingungen in der Branche.
PFLEGERIN SARINA MEIER (25) betreut Seniorinnen und Senioren im Heim. Da wird auch mal zusammen gekocht und geschwatzt. (Foto: Peter Lauth)
Wie verständigt man sich mit einer Person, die ihre Sprache verloren hat? Sarina Meier kennt die Antwort. Die Pflegefachfrau hat täglich mit dementen Menschen zu tun. Sie sagt: «Da kommt es weniger darauf an, was ich sage, sondern mehr auf die Körpersprache und die Stimmlage.» Die verstehe auch jemand mit fortgeschrittener Demenz.
Weil Demenz im hohen Alter häufig ist, sind auch viele der 140 Bewohnerinnen und Bewohner im Luzerner Altersheim Wesemlin betroffen, wo Meier arbeitet. Und sie liegen der 25jährigen besonders am Herzen. «Ich bin glaub’s der Demenz-Typ», sagt sie und lacht. «Ich mag diese Herausforderung.»
Zum Beispiel, wenn eine verwirrte Bewohnerin in ihre Wohnung zurückwill, die sie vor Jahren verlassen hat – und niemand versteht sie. Stress oder auch Wut sei die Folge, sagt Meier. Dann spricht sie mit der Frau und macht, was diese nicht mehr kann: die Gefühle in Worte fassen. «Damit sie merkt: Ah, ich werde verstanden. Ich bin in meiner Not nicht allein.» Dann lenke sie die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema, «etwa auf die Kinder der Frau. Dadurch geht der Stress vorbei. Hoffentlich», schiebt sie nach.
KÜRBISSUPPE. Klar, manchmal sage sie auch genau das Falsche. Davor habe sie am Anfang Angst gehabt. «Heute weiss ich: Das kann passieren. Aber meistens lernt man etwas daraus.» Was auf jeden Fall helfe: dass sie die Betagten unterdessen gut kenne. Seit drei Jahren arbeitet die Pflegerin jetzt auf derselben Abteilung, in der rund 20 Menschen wohnen. Meier sagt: «Es kommt mir chli vor wie eine WG: Manchmal gibt’s Stress, aber meistens hat man’s gut zusammen.» Das sei es, was ihre Arbeit «mega schön» mache, sagt Meier: «Ich kann mit diesen Menschen eine Beziehung aufbauen. Ich kann sie auf der letzten Etappe ihres Lebens begleiten und ihnen immer wieder mit kleinen Sachen eine Freude machen.» So habe sie im Praktikum manchmal zusammen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern gekocht. Eine demente Frau lehrte sie, Kürbissuppe zu machen. «Die mache ich heute noch.»
KLEINER LUXUS. Nicht immer ist Meier direkt mit Pflege beschäftigt. Tageweise betreut sie Lernende. Als stellvertretende Teamleiterin übernimmt sie zudem oft die Tagesverantwortung für die ganze Station und hat auch einen fixen Tag pro Woche, an dem sie Büroarbeit erledigt. Sie ist froh um diese Abwechslung: «Würde ich ausschliesslich Pflege machen, arbeitete ich wohl nicht mehr hundert Prozent.» Denn diese Arbeit fordere einem viel ab, körperlich und auch psychisch. «So aber kann ich mich an den Pflegetagen voll einbringen.»
Das Betagtenzentrum Wesemlin gehört mit vier anderen Häusern zur Viva Luzern AG, die im Besitz der Stadt Luzern ist und einen eigenen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) hat. Der sieht eine 42-Stunden-Woche vor. Das werde auch eingehalten, sagt Meier: «Klar, wenn jemand stürzt und meine Schicht geht zu Ende, lasse ich die Person nicht einfach liegen. Aber in der Regel kann ich pünktlich aufhören.» Auch, weil das Team «erstklassig» sei und sich gegenseitig unterstütze. Als Pflegefachfrau geniesst sie den «Luxus», dass sie ihre Schicht immer an einem Stück absolvieren kann – anders als Pflegehilfen, die oft geteilte Dienste leisten müssen: einige Stunden am Morgen, einige am Abend, dazwischen eine lange Zimmerstunde. Auch Nachtdienste muss sie keine machen: «Das können bei uns alle frei wählen. Es gibt Mitarbeitende, die machen nur Nachtdienste – zum Glück für mich, ich bin absolut kein Nachtmensch!»
GROSSES ENGAGEMENT. Gerade weil sie die Arbeit mit alten Menschen liebt, macht sich Unia-Mitglied Meier für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege stark. Regelmässig tauscht sie sich in der Pflegegruppe Zentralschweiz mit Berufskolleginnen und -kollegen aus, plant Aktionen und motiviert andere, sich zu engagieren. Spätestens seit der Coronapandemie, sagt sie, befinde sich der Beruf in einem Teufelskreis: Wegen der permanenten Überlastung verlassen immer mehr Pflegerinnen und Pfleger den Beruf. Das führt zu Personalmangel und noch stärkerer Überlastung. Und so weiter .
Nach dem deutlichen Ja zur Pflegeinitiative 2021 hätten die Pflegenden gehofft, dass etwas passiere. Doch einen ersten Gesetzesentwurf will der Bundesrat frühestens in einem Jahr vorlegen. Dieses Schneckentempo stoppe den Pflege-Exodus nicht, kritisiert Sarina Meier: «Manche resignieren und schmeissen den Bettel hin.»
Für sie ist das keine Option. Sie sagt: «Ich möchte meinen Beruf retten! Dafür braucht es jetzt Lösungen, und nicht erst in vier Jahren.» Zum Beispiel müsste die Arbeitszeit verkürzt werden: Vier Arbeitstage pro Woche statt fünf, bei gleichem Lohn. Ja, das koste kurzfristig mehr, würde sich auf lange Sicht aber auszahlen: «Die Pflegenden wären ausgeruhter, es gäbe weniger Absenzen und weniger Kündigungen. Heime und Spitäler müssten weniger auf teure Temporäre ausweichen.»
Nicht nur für ihren eigenen Beruf legt sich Meier ins Zeug, sondern auch für Lohngleichheit in allen Branchen. Da ist es klar, dass die Pflegerin am Frauenstreik am 14. Juni auf die Strasse geht wie schon 2019. Sie sagt: «Als Frau hast du heute drei- oder vierfach verloren: Du leistest mehr unbezahlte Arbeit, hast eher einen Teilzeitjob in einem schlechtbezahlten ‹Frauenberuf› und wirst sogar dort noch schlechter bezahlt als ein Mann. Das kann es doch nicht sein!»
Sarina MeierPlötzlich Pflegerin
Eigentlich wollte Sarina Meier Psychologie studieren. Das dafür nötige Praktikum in einem Altersheim trat sie ohne Begeisterung an: «Ich hatte Angst, dass mich die Körperpflege von alten Leuten gruuset. Aber ich merkte rasch: Pflege ist eine wunderschöne und auch sinnstiftende Arbeit.» Deshalb begann sie die Ausbildung zur Pflegefachfrau, die sie 2020 abschloss.
«GEWANDET». In der Freizeit liest sie gerne Krimis und Fantasyromane, aktuell «Ganz gewöhnliche Monster» von J. M. Miro: «Die kitschigen Fantasy-Liebesgeschichten sind nicht so mein Ding, ich hab lieber den ‹Herr der Ringe›-Stil.» Zudem kocht sie gerne, spielt auf der Xbox, spaziert in Luzern am See und geht an Mittelaltermärkte. «Und zwar, wie wir sagen, ‹gewandet›; als Bewohnerin von Haithabu, einem Handelsort an der Ostsee.»
Meier ist Unia-Mitglied. Als ausgebildete Pflegefachfrau, stellvertretende Teamleiterin und Lehrlingsausbilderin verdient sie 6100 Franken brutto im Monat.
Wenn man Bundesrätin Keller-Sutter zuhört, erhält man den Eindruck, dass die Schweiz auf ein Schuldenproblem zulaufe. Sie fordert Sparprogramme und will der AHV und der ALV weniger Geld vom Bund...
Seit zwanzig Jahren bin ich im Verkauf und habe einiges an sexueller Belästigung von Kunden und Arbeitskollegen erlebt. Eine Geschichte hat mich besonders geprägt.
Bei uns hat man früher amigs auch gesagt, die «Tschingge» würden unsere Katzen fressen. Krass oder? Ich liebe Büsi. Ich habe keine Kinder, aber zwei Büsi.
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