Urteil: Elektriker Giuseppe Restuccia erhält 11'000 Franken

«Lasst euch nicht entmutigen! Durchhalten lohnt sich!»

Christian Egg

Mehr als vier Jahre kämpfte Elektriker Giuseppe Restuccia (36) um Geld, das ihm das Temporär­büro abzwackte. Jetzt hat er gewonnen. Vor dem Bundesgericht!

GEWERKSCHAFTER GIUSEPPE RESTUCCIA: «Es war nicht eine Frage des Geldes, sondern eine Frage
des Prinzips.» (Foto: Sébastien Agnetti)

Der Vertrag sah gut aus. 32 Franken pro Stunde bot die Firma Technic Emplois, ein Temporärbüro im Kanton Waadt, dem Elektriker Giuseppe Restuccia. Ein paar Monate zuvor war er aus Italien in die Schweiz gekommen. Er kannte weder die hiesigen Rechte, noch sprach er Französisch. Er unterschrieb.

Doch auf der Baustelle kam er mit anderen ins Gespräch. Und stellte fest: «Egal, ob Maurer, Sanitär oder sonst ein Beruf: alle bekamen zusätzlich zum Lohn noch eine Essensentschädigung, und bei vielen zählte der Weg als Arbeitszeit.» Restuccia fragte bei Technic Emplois nach. Dort hiess es: alles korrekt. Arbeitsort sei laut Temporärvertrag die Baustelle, Weg und Verpflegung seien seine Sache.

BSCHISS MAL DREI

Etwa zwei Jahre später, genau weiss es Restuccia nicht mehr, kontrolliert die Unia die Baustelle. Und stellte fest: Technic Emplois knausert unrechtmässig. Und zwar gleich dreifach. Denn laut dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Elektrikerbranche muss sie Restuccia einen Teil des Arbeitswegs zur Baustelle als Arbeitszeit anrechnen, da dieser länger dauert als der Weg zum Betrieb. Und weil er dafür sein Privatauto benützt, hat er zusätzlich Anspruch auf Spesenersatz. Ebenso für auswärtige Verpflegung, damals laut GAV 12 Franken pro Tag.

«Ich wollte ein Urteil, das allen Temporären hilft.»

MILLIONEN EINGESACKT

Die Unia rechnet aus: Insgesamt hat der Elektriker Anrecht auf fast 13 000 Franken. Doch Technic Emplois zahlt ihm nur die Essensentschädigung von 2600 Franken. Für den Rest bleibt ihm nur der Weg über die Gerichte. Im Schlichtungsverfahren bietet ihm die Firma schliesslich 5000 Franken, rund die Hälfte seiner Forderung. Wenn er die Klage fallenlässt. Er lehnt ab. Denn, so der 36jährige: «Das war nicht eine Frage des Geldes. Es war eine Frage des Prinzips. Ich wollte, dass wir ein Gerichtsurteil haben, das allen Temporären hilft.»

Zwar legt das Gesetz fest, dass für Temporärmitarbeitende der GAV des Einsatzbetriebs gilt, wenn es um Lohn und Arbeitszeiten geht. Aber einige Temporärbüros halten sich nicht daran. Ihre Verträge haben schlechtere Bedingungen als der gültige GAV. Alice Besson, Juristin bei der Unia Waadt: «Das ist rechtswidrig. Aber die Praxis hat sich in den letzten Jahrzehnten ausgebreitet. Insgesamt sacken diese Firmen Millionen ein, die den Mitarbeitenden zustehen. Das muss aufhören!»

BIS VOR BUNDESGERICHT

Das findet auch Unia-Mitglied Giuseppe Restuccia. Er kämpfte sich, zusammen mit Juristin Besson, durch alle Instanzen. Bis vor Bundesgericht. Und bekommt jetzt recht! Die obersten Richter urteilen, er habe die gleiche Wegentschädigung zugute wie Festangestellte. Eine Baustelle, wie das Technic Emplois gerne hätte, könne nicht als Ort der Anstellung gelten. Genau das habe er auch immer gesagt, freut sich Restuccia und lacht.

Jetzt muss ihm die Temporärfirma rund 11 000 Franken auszahlen. Endlich. Auch Unia-Juristin Besson freut das Urteil. Weil es einen wichtigen Grundsatz festigt: Klauseln in einem Temporärvertrag dürfen bessere GAV-Bestimmungen nicht aushebeln. Sie sagt: «Das Bundesgericht hat damit die Rechte der Temporären ein für allemal bestätigt.»

Mehr als vier Jahre hat es gedauert, bis Elektriker Restuccia zu seinem Recht kam. Ja, das sei sehr lang, sagt er. Deshalb ist es ihm am Schluss wichtig, allen zu sagen: «Lasst euch nicht entmutigen! Meine Geschichte zeigt: Durchhalten lohnt sich!»

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.