Coop vergibt Gutscheine statt Teuerungsausgleich:

«Was soll ich mit den paar Fränkli?»

Christian Egg

Trotz Rekordgewinn zahlt Coop seinen Mitarbeitenden nicht einmal den Teuerungsausgleich. Verkäuferin Antonella Molle (60) ist stinkhässig.

HARTES RINGEN: Verkäuferin Antonella Molle und ihre Kolleginnen und Kollegen kämpften bis zum Schluss um den vollen Teuerungsausgleich. Doch Coop zahlt nur einen Teil davon, trotz über einer halben Milliarde Gewinn. (Foto: Keystone / ZVG)

Bei Coop sinken nächstes Jahr die Reallöhne. Denn die Löhne steigen nur zwei Prozent, bei einer Teuerung von rund drei Prozent. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Ende Monat weniger Geld im Portemonnaie haben. Und dies, obwohl dank ihnen Coop dieses Jahr mehr als eine halbe Milliar-de Gewinn einstrich – ein neuer Rekord. Kein Wunder, ist Coop-Verkäuferin Antonella Molle hässig: «Das ist einfach unverschämt», sagt sie. Die 60jährige arbeitet seit 45 Jahren im Detailhandel. Trotzdem beträgt ihr Monatslohn gerade mal 4300 Franken: «Ist meine Erfahrung Coop nichts wert?»

Die zwei Prozent sind zudem nur für Löhne bis 4500 Franken fix. Darüber gibt’s «individuelle Anpassungen». Und für alle einen Gutschein (siehe Box). Für die Unia-Mitglieder bei Coop war das deutlich zu wenig, sie lehnten dieses Angebot am 20. Oktober klar ab.

Fast zwei Monate lang hatten die Sozialpartner hartnäckig über die Löhne verhandelt. Die Beschäftigten forderten den vollen Teuerungsausgleich, dazu 100 Franken mehr für alle mit Löhnen unter 5800 Franken. Chef der Coop-Delegation war meist CEO Philipp Wyss persönlich (Jahreslohn 600’000 Franken). In der ersten Verhandlungsrunde lehnte er dieses Anliegen ab.

«Das ist doch einfach nur unverschämt.»

UNIA MACHT DRUCK

Doch die Coop-Chefs haben nicht mit der Reaktion der Unia-Mitglieder gerechnet. Anne Rubin, Co-Leiterin Detailhandel bei der Unia: «Die Leute waren enttäuscht, ja wütend, dass Coop sie nicht besser an der Wertschöpfung beteiligen will, die sie generiert haben.» In allen Regionen wurden Coop-Mitarbeitende aktiv, diskutierten in der Unia-Fachgruppe und stimmten ab. Aus ihrer Mitte haben sie eine Begleitgruppe gewählt, diese entscheidet online nach jeder Verhandlung über das weitere Vorgehen.

Gewählt wurde auch Antonella Molle. Sie arbeitete bis abends um halb neun. «Dann bin ich heimgeflitzt und habe mich in die Sitzung eingeklinkt.» Die Gruppe diskutierte, bis sie ein Resultat hatte. Eine Stunde, anderthalb. Und Schritt für Schritt spürten die Coop-Chefs den Druck. Am 27. September akzeptierten sie endlich eine generelle Lohnerhöhung. Allerdings nur 1,5 Prozent. Die Hälfte der Teuerung.

Das letzte Wort hat die Fachgruppe. Für die Delegierten aller Regionen ist klar: Das Angebot ist zu tief. Sie beschliessen eine «rote Linie». Drei Prozent Teuerungsausgleich für alle Löhne bis 4800 Franken. Und sie legen ihre Position dem Coop-Verwaltungsrat in einem Brief dar. Alle unterschreiben. Leena Schmitter, Unia-Co-Leiterin Detailhandel: «Dass alle als Gruppe hingestanden sind – das war ein starkes Zeichen.»

COOP LENKT ETWAS EIN

Und es wirkt. Coop korrigiert sein Angebot abermals. Aber nur auf zwei Prozent. Zu wenig. Die Fachgruppe lehnt erneut ab. Auch die Gewerkschaft Syna und der Kaufmännische Verband ziehen mit. Auch das ist neu. Letztes Jahr waren die Unia-Mitglieder noch die einzigen, die am Schluss Nein sagten.

Die Verhandlungen sind gescheitert. Coop setzt jetzt die zwei Prozent plus Gutschein in Kraft ohne das Okay der Gewerkschaften. Die Verkäuferin Antonella Molle ist enttäuscht. Über ihren Arbeitgeber, der stur blieb. Und über ihren Lohn, der tief bleibt. Zwei Prozent mehr sind 86 Franken. Sie sagt: «Allein die Krankenkasse wird 50 Franken teurer. Die Miete steigt, an die Stromkosten will ich gar nicht denken. Was soll ich da mit den paar Fränkli?»

Gutscheine: Coop rechnet falsch

Zusätzlich zu den Lohnprozenten schenkt Coop allen Mitarbeitenden einmalig einen Einkaufsgutschein von 800 Franken. Bei einem ­Monatslohn von 4500 Franken sind das, aufs Jahr verteilt, gut 1,3 Prozent des Lohnes. Coop schlägt diesen Wert flugs auf die 2 Prozent Lohnerhöhung drauf und kommt so auf einen «Anstieg von mindestens 3,3 Prozent».

SCHlECHTER DEAL. Doch Unia-Frau Leena Schmitter widerspricht: «Der Gutschein ist weder Teuerungsausgleich, noch werden die Löhne längerfristig angehoben.» Coop versuchte von Anfang an, einen Reallohnverlust mit Gutscheinen zu versüssen. Doch die Unia-Mitglieder lehnten den Deal stets ab: Gutscheine seien ein Geschenk und hätten in Lohnverhandlungen nichts verloren.

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