Massenentlassung trotz Rekordgewinn von 24 Milliarden Franken:

Novartis immer schamloser

Darija Knežević

Der Pharmakonzern Novartis will in der Schweiz 1400 Jobs vernichten. Bisher konnte der Multi mit seinen Abbauplänen oft einfach durchmarschieren. Umso lauter fordern jetzt die Gewerkschaften: Die Stellen bleiben!

MEGA-ABSAHNER: Novartis-CEO Vasant Narasimhan sackte im letzten Jahr über 11 Millionen Franken Lohn ein. Und verdiente damit 195 Mal mehr als die Novartis-Mitarbeitenden mit den tiefsten Löhnen. (Foto: Keystone)

Dieses Mal trifft es Mitarbeitende in der Informatik, der Buchhaltung oder der Personalabteilung. Insgesamt kündigt Novartis an, 1400 Stellen in der Schweiz zu ­streichen. International setzt der Konzern 8000 Menschen auf die Stras­­se. Schon im Juni kündigte ­Novartis das Vorhaben an – und ­zögerte Treffen mit den Gewerkschaften bis in den September hinaus. Sowohl die Unia als auch der Verband Syna fordern, dass die Stellen gerettet werden.

In der Vergangenheit konnte Novartis seine Massenentlassungen oft durchdrücken. Gegenwind blies dem Konzern nur selten entgegen: Denn der hausinterne Personalverband geht Hand in Hand mit der Geschäftsleitung. Für manche Mitarbeitende wirkt der Kampf gegen die Kündigung deshalb fast aussichtslos. Eine von ihnen ist Gabriela Brun*. Die Ernüchterung der Beschäftigten sei gross, sagt sie. Für Aussenstehende könne das sogar wie Desinteresse wirken.

Novartis unternimmt viel, damit Widerstand gar nicht erst aufkommt. So auch jetzt: Das obligatorische Konsultationsverfahren zur Massenentlassung will der Konzern einzig mit der internen Personalvertretung führen. Die Gewerkschaften sollen draussen bleiben. Für Yves Defferrard, der den Bereich Industrie der Unia leitet, ein Unding: «Das Verhalten von Novartis ist inakzeptabel. Anstatt alle Verbände an einen Tisch zu holen und nach Alternativen zu suchen, will Novartis sein Vorhaben einfach durchsetzen.» Zu einer reinen Alibiübung will die Unia jedoch das Konsultationsverfahren nicht verkommen lassen.

Die Unia verlangt: ein echtes Konsultationsverfahren anstatt einer Alibiübung.

UNERSÄTTLICHE PROFTIGIER

Tatsächlich war Novartis lange nicht bereit, mit den Gewerkschaften an einen Tisch zu sitzen. Ein Treffen schob Novartis so lange hin­aus, bis das Konsultationsverfahren mit der internen Personalvertretung bereits lief. Brun kennt dieses Vorgehen. Sie sagt: «Für Novartis ist der Entscheid über die Entlassungen gefallen, daran wollen sie nichts mehr rütteln.»

Unia und Syna halten dennoch an ihrer Forderung nach ­einem echten Konsultationsver­fahren fest. Tatsächlich haben es die Gewerkschaften bereits 2011 geschafft, den Konzern zu Verhandlungen zu zwingen. Damals wollte Novartis seinen Standort in Nyon schliessen. Enormer Druck seitens der Gewerkschaften und der Belegschaft und schliesslich auch ein Streik zwangen den Konzern, einzulenken. Ob das aber wieder gelingt, ist ungewiss.

Nicht klar ist derzeit auch, welche Mitarbeitenden die Kündigung treffen wird. Laut Brun ist in einzelnen Abteilungen die Stimmung am Tiefpunkt: «Bei vielen herrschen Sorge und Angst vor ­einer Entlassung. Schliesslich sind wir alle Lohnabhängige.» Bislang wurden erste Kündigungen im Manage­ment ausgesprochen, die weiteren folgen erst noch.

Besonders absurd: Das ver­gangene Jahr war für Novartis ein historisch starkes Geschäftsjahr. 24 Milliarden Franken Reingewinn wurden generiert – unter anderem auch das Ergebnis eines Aktienrück­kaufs durch Roche. Die Novartis-Aktionärinnen und -Aktionäre profitierten enorm: Sie erhielten eine Dividende von 3,9 Prozent pro Aktie. Trotzdem will der Konzern weitere Entlassungen durchdrücken, um abermals rund eine Milliarde Franken einzusparen.

CEO-LOHN: 11,2 MILLIONEN

Die Profitgier zeigt sich auch in der massiven Lohnschere beim Pharmakonzern: Vasant Narasimhan steckte vergangenes Jahr als Chef der Novartis ein Jahressalär von stolzen 11,2 Millionen Franken ein. Das ist 195 Mal mehr, als die Mit­arbeitenden mit den tiefsten Löhnen verdienen (work berichtete: rebrand.ly/buezer-broesmeli). Damit schaffte es Novartis erneut unter die «Bad Ten» der Schweizer Firmen in puncto Lohnschere.

Und dreister geht immer: Jetzt setzt Novartis sogar hemmungslos auf die Profit-Strategie. Nur noch die profitabelsten Medikamente werden produziert (siehe So mies zockt die Pharmaindustrie die Prämienzahlenden ab). Alles, was keine fetten Gewinne generiert, wird aus dem Sortiment gekippt.

*Name geändert


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