Reinigerin Finka Erceg (58) bietet den Hirslanden-Chefs die Stirn:

«Ich würde es wieder tun!»

Johannes Supe

Monatelang ­protestierten die Reinigerinnen der Linde-Klinik in Biel ­gegen ihren Rauswurf. Immer vorne mit ­dabei: ­Finka Erceg.

REINIGERIN FINKA ERCEG: «Mein Herz war die ganze Zeit bei der Klinik. Aber mein Verstand wollte nicht akzeptieren, was da passiert.» (Foto: Yoshiko Kusano)

Sie ist die Frau, die sich nicht alles bieten lässt. Reinigerin Finka Erceg (58) hat monatelang um ihre Stelle im Spital Linde in Biel gerungen. Hat sich nicht mit der Art abgefunden, wie man sie und ihre Kolleginnen behandelte. 25 Jahre hielt sie die Klinik sauber. Arbeitete oft in der Nacht, um am Morgen noch die fünf Enkelkinder in die Schule bringen zu können. Doch Ende 2021 wollte das Spital sein Reinigungsteam auslagern (work berichtete). Für Erceg ein Schock. Sie erinnert sich:

«Ich war zuerst nicht mal wütend, denn ich konnte gar nicht glauben, was passiert. Lange habe ich gedacht, dass die Klinik mit uns nach einer gemeinsamen Lösung suchen wird. Jahrelang war doch alles in Ordnung. Ich hatte einen sicheren Lohn, und dafür habe ich immer mein Bestes gegeben. Also dachte ich, dass man sich nun auch für uns einsetzt. Ich habe ihnen vertraut. Und warum auch nicht? In der Klinik ging es doch immer ehrlich zu.»

«Wir sind doch keine kleinen Kinder, denen man versprechen kann, was man will.»

«MIT DEM HERZEN BEI DER KLINIK»

Ehrlichkeit – ein Wort, das Reinigerin Erceg immer wieder bringt, wenn sie über ihre Erlebnisse spricht. Wie aufrichtig es in den guten 25 Jahren ­zuging. Wie viel Vertrauen in den letzten Monaten verloren ging. Ein Wechsel vom klinikinternen Reinigungsteam zur externen Firma hätte Erceg mit einer Lohneinbusse von fast 500 Franken im Monat bezahlt. Doch das erwähnt die gebürtige Kroa­tin, die vor 30 Jahren in die Schweiz kam, nur am Rande.

«Man hatte mir und meinen Kolleginnen versprochen, dass wir direkt nach der Kündigung eine Neuanstellung erhielten. Noch am selben Tag. Und ein Jahr lang sollte es denselben Lohn geben. Nichts davon ist passiert. Das hat mir nicht gepasst. Wir sind doch keine kleinen Kinder, denen man versprechen kann, was man will. Über Jahre haben wir alles gemacht. Wenn eine Kollegin krank wurde, haben wir ihre Arbeit miterledigt. Wir erhielten keinen Bonus, jahrelang keine Lohnerhöhung. Es war in Ordnung, aber ich wollte mit Respekt behandelt werden.»

Empört sind auch ihre sieben Kolleginnen, denen dasselbe widerfuhr. Zusammen beschlossen die Frauen, sich bei der Gewerkschaft Unia in Biel zu melden. Es folgte eine wilde Zeit: die Reinigerinnen sammelten fast 800 Unterschriften für eine Petition, die die Klinik zu Gesprächen über einen Sozialplan aufforderte. Mehrfach gaben die Frauen Interviews, schafften es sogar ins Fernsehen. Eine war aber immer vorne mit dabei: Finka Erceg.

«Mein Herz war die ganze Zeit bei der Klinik, denn ich mag die Arbeit und die Patienten. Aber mein Verstand wollte nicht akzeptieren, was da passiert. Ganz ehrlich: Für mich allein hätte ich das ­alles vielleicht nicht gemacht. Aber ich wusste ja, dass es nicht nur um mich geht. Und nachdem wir zusammen besprochen hatten, dass wir etwas tun wollen, war es für mich klar. Man muss ja zu seinem Wort stehen. Also habe ich auch in der Klinik Unterschriften gesammelt. Und ich habe mit der Presse geredet, zum ersten Mal in meinem Leben. Vorher konnte ich kaum schlafen, hatte eine richtige innere Unruhe. Aber als ich angefangen habe zu sprechen, sind die Worte einfach aus mir herausgekommen.»

«ICH WÜRDE ES WIEDER TUN»

Bis zuletzt bleibt Erceg konsequent. Eine Stelle beim neuen Reinigungsdienst schlägt sie aus, muss sich nun mit Ämtern und Arbeitssuche herumschlagen. Doch die 58jährige ist sich sicher, dass ihr Einsatz richtig war.

«Natürlich habe ich gemischte Gefühle, gerade jetzt, wo ich auf Arbeitssuche bin. Aber ich würde alles wieder genauso machen. Wir sind Arbeiterinnen, und wir haben Respekt verdient. Zum Glück haben mich mein Mann und meine Familie die ganze Zeit unterstützt. Und von den Kolleginnen weiss ich nach allem, dass ich mich wirklich zu 100 Prozent auf sie verlassen kann.»

Sie sei nun für neue Herausforderungen offen, meint Finka Erceg. Welche das sein könnten? Da ist sie sich noch unsicher. Vielleicht ja etwas, das ihre grosse Leidenschaft berührt. Erceg bäckt fürs Leben gern. Verschiedene Torten, Muffins, Küchlein, aber auch Spezialitäten aus Bosnien bereitet sie zu. Immer nach eigenen Rezepten. Aber was auch immer die Zukunft bringen mag, Finka Erceg wird ihren Weg gehen. Immer vorneweg.

Verhandlungen: Jetzt spricht Hirslanden mit der Gewerkschaft

Nach der Kündigung der Reinigerinnen verweigerte die Klinik Linde, die zur Hirslanden-Gruppe gehört, ­zunächst Gespräche mit der Unia. ­Dabei war die Gewerkschaft von den Kolleginnen ­damit beauftragt worden, eine Lösung für den Konflikt zu ­finden. Beispielsweise angemessene Abgangszahlungen. Es folgte eine ­wochenlange ­Auseinandersetzung mit der Klinik, in deren Verlauf Hunderte Klinik­beschäftigte eine Petition der ­Reinigerinnen unterzeichneten.

KONSTRUKTIV. Ende März lenkte die Klinik dann ein. Erste Gespräche mit dem Spital fanden bereits statt, eine zweite Runde wird am 2. Mai ­abgehalten. Über den Inhalt der ­Verhandlungen ist Stillschweigen ­vereinbart. Unia-Verhandlungsführer Alain ­Zahler zeigte sich aber nach dem ­ersten ­Treffen zuversichtlich: «Das erste ­Gespräch, an dem die ­Eckwerte und das weitere Vor­gehen besprochen ­wurden, ist konstruktiv verlaufen.»


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