So kam das Unia-Chäppi in die neue Kultserie des SRF:

Besuch im Tschugger-Land

Jonas Komposch

Die neue Supercop-Serie aus dem Wallis begeistert rundum. Nicht nur weil sie so schräg ist. Und dann taucht plötzlich auch noch ein ­Unia-Chäppi auf. work war auf Spurensuche.

Ein Tschugger ist bekanntlich ein Polizist, weniger ein böser Bulle, aber auch kein braver Ordnungshüter, eher ein normaler Schmier. Beleidigend ist beides nicht. «Schmíra» ist hebräisch und heisst Wache. Auch der Begriff des Tschuggers (wie der verwandte Schroter) hat hebräische Wurzeln, bedeutete einst Späher und fand über die sogenannte Gaunersprache Rotwelsch und das Jenische Eingang ins Deutsche. Der früheste Schweizer Beleg stammt aus dem Jahr 1812 und wies den Tschugger schlicht als Polizeidiener aus. Trotzdem waren Polizeirichter noch lange überzeugt, es handle sich um ein wüstes Schimpfwort. Sie irrten. Wobei Kraftausdrücke häufig fallen, wenn die Staatsgewalt aufkreuzt. So auch in «Tschugger», der spannendsten und zugleich witzigsten Schweizer Fernsehserie seit Jahren.

Sie erreichte an ihrer SRF-Premiere fast eine halbe Million Zuschauerinnen und Zuschauer – ein Spitzenwert. Und diesem Pu­blikum sagte Inspektor Bax (gespielt von ­Regisseur David Constantin) schon in der zweiten Folge: «Ab jetzt isch d Scheisse am Chochu, versprochu!» (… ist die Scheisse am Kochen, versprochen!) Wir dürfen Bax, den ­Magnum-Verschnitt, der einst den Rappaz schnappte, bei seinen Walliser Wurzeln nehmen. Bernard Rappaz: Walliser Haschisch-­Pionier und als Gefangener immer wieder im Hungerstreik. Er darf im «Tschugger» so wenig fehlen wie der Simplonpass, über den die Mafiosi kommen.

Tschugger»-Regisseur Constantin ist im Wallis längst Kult. Gleich wie sein legendäres Video vom sturmgewehrschiessenden Ueli Maurer, in dem Constantin den Bundesrat aufs feinste vorführt. Oder wie seine Fussballserie namens Tschutter. Aber zurück zum ewigen Schnee.

«Das Unia-Chäppi hat uns vom Style her gefallen.»

UNIA-TSCHUGGER KOMMANDIERT

Auf dem Simplonpass macht Bax einen grausigen Fund: Der zweifach angeschossene Polizeipraktikant Smetterling (gespielt vom Zürcher Journalisten Cédric Schild) hat sich in der braunen Kloake eines Baustellenklos versenkt. Nur so konnte er sich vor dem ruchlosen Killer Marko verstecken. Entsprechend «verschissen» gehe es dem «Grüezi» nun, meldet Bax’ Streifenkollege Pirmin an die Zentrale. Sofort eilt Verstärkung an den Tatort. Der übelriechende Verletzte wird abtransportiert, Spuren werden gesichert, aber auch verwischt. Und schon sind auch die Skandaljäger vom Lokalfernsehen zur Stelle. Eine heikle Situation!

Da braust endlich Polizeikommandant Biffiger heran, ein Mann von Autorität, re­spektiert bei der Truppe, und jetzt auf Platz, um zum Rechten zu schauen. Schliesslich rückt ihm bereits eine «Üsserschwiizerin» auf die Pelle: die gmerkige Bundespolizistin Protz (gespielt von der Basler Sängerin Anna Rossinelli). Biffigers Auftritt aber verwirrt zunächst. Denn als er aus dem Auto steigt, zieht sich der Obertschugger ein signalrotes Unia-Chäppi an. Und zwar so lässig, als wäre er Baubüezer. Ist Biffiger etwa Unia-Fan? Die Serie verrät es nicht. Doch Kostümbildnerin Ursula Schmid klärt auf: «Für einen starken Farbkontrast brauchten wir schlicht eine rote Mütze, und in meiner Requisitenkiste war das Unia-Chäppi das einzig passende.» Und «Tschugger»-Chefproduzentin Sophie Toth ergänzt: «Es hat uns auch vom Style her gefallen.» Tatsächlich sticht das Chäppi nicht nur optisch hervor, es passt auch zur väterlich-gmögigen Art von Good-Cop Biffiger,gespielt vom Visper Steuerberater Laurent Chevrier. work hat ihn in seiner Stammbeiz getroffen.

ALLES HINTERWÄLDLER?

Als Lokal der älteren Generationen ist das «Napoleon» schon vor Feierabend gut besucht. Chevrier hat neben dem Jasstisch Platz genommen und studiert den «Blick» und den «Walliser Boten». Während die Ringier-Zeitung «Tschugger» als «feinsten Raclette-Western» abfeierte, äusserten sich in der Lokalzeitung auch kritische Stimmen. Die Serie bediene zu viele Klischees, hiess es. Und sie bringe die Oberwalliser mit «hinterwäldlerischem Getue» in Verbindung. Das sehen die Gäste im «Napi» gelassener.

Viele haben die spätabends laufende Serie noch gar nie geschaut. Doch gehört von ihr haben alle – oft aus euphorischen Erzählungen ihrer Kinder und Enkel. Auch Chevrier hat fast nur positive Feedbacks erhalten. Dabei habe er nicht immer nur brilliert, meint er. «Gerade die Simplon-Szene war ein ziemlich harter Brocken für mich, es war bitterkalt und uns pfiff ein eisiger Wind um die Ohren.» Auch war es der erste Drehtag überhaupt – und Chevriers Premiere vor der Kamera! «Ein bisschen Bammel hatte ich deshalb schon», gesteht er. Vor allem, als er am Set realisierte habe, wie gross so eine Filmcrew ist. Und die fokussierte nun voll auf ihn. Prompt habe er sich verhaspelt und dann sogar den Text vergessen. «Sicher fünf Mal haben wir die Szene aufgeführt!» Erst dann habe es dem Regisseur gepasst. Es dauerte aber nicht lange, bis sich der Steuerfachmann zum gewandten Schauspieler mauserte. Ganz ohne Vorkenntnisse trat Chevrier nämlich nicht an.

«Die von der Unia sollen nicht so blöd tun!»

LIEBESGLÜCK AM SET

Als Mitglied des Visper Kirchenchors machte er zuletzt bei einem Zorro-Musical mit. Im Publikum sassen zwei Headhunter, die im Auftrag der Tschugger-Produktionsfirma Shining lokale Statistinnen und Statisten suchten. Eine davon war Ida Haefliger. Für die Christlichsozialen sass sie einst im Gemeinderat von Visp. In Tschugger spielt sie die Polizeisekretärin. Ihr fiel Chevrier sofort auf. Und er sagte zu. Wobei er ursprünglich einen schläfrigen, aber mit einem Elektroschocker bewaffneten Spital-Security hätte spielen sollen. Doch diese Rolle schnappte ihm SP-Lokalpolitiker Sebastian Werlen weg. Und so kam Chevrier zur zentralen Rolle des Polizeichefs. Dafür nahm er einen ganzen Monat unbezahlten Urlaub. Gelohnt habe es sich allemal. Eine «richtige Familie» seien sie geworden am Set. Und Chevrier hatte besonderes Glück: Er und die Polizeisekretärin haben sich am Dreh ineinander verliebt.

Aber wie war das nun mit dem Unia-Käppi? «Zuerst war ich mir nicht sicher, ob die Kostümleute wissen, was sie da tun.» Doch bald habe er realisiert, wie gut der Hut zur Gesamtsituation passe: «Der Kaderpolizist im Gewerkschafter-Look, das wirkt doch urkomisch!» Um Schleichwerbung handle es sich dabei nicht, ebenso wenig um eine Herabsetzung. Er selbst halte viel von den Gewerkschaften: «Sie sind institutionelle Pfeiler unserer Wirtschaft und ebenso wichtig wie die Parteien oder die Arbeitgeberverbände.» Chevrier: «Wer über Gewerkschaften nur fluchen kann, verkennt, wie arm wir wären ohne sie.» Das sehen im «Tschugger» nicht alle so, ganz und gar nicht der legendäre Lebemann und Baugauner Fricker.

BAUMEISTER SPIELT BAUGAUNER

Mit Pilotenbrille und im Bademantel steht Fricker cool und halbseiden an seinem Pool. Zu Gast hat er die aufstrebende Gangsterrapperin Valmira und ihren Gschpusi «Junior». Die beiden hatten dem zwielichtigen Unternehmer gerade frisches Marihuana aus Domodossola geliefert, aber auch ein geklautes Camion mit heikler Fracht: Tomatensugo aus italienischer Mafia-Produktion. Die Sauce soll schleunigst fort, unter die Erde. Weil Blut an ihr klebt. «Ich brauche wieder ein Loch», telefoniert Fricker an seinen Polier. Der aber zögert, die Gewerkschaft sei auf Platz. Darauf der Chef: «Die von der Unia sollen nicht so blöd tun!» Die Szene wirkt authentisch, was kein Zufall ist.

Fricker-Darsteller Olivier Imboden ist selbst Baumeister – und zwar der zweitgrösste im Oberwallis. 420 Angestellte zählt seine Imboden AG, die er in dritter Generation führt. Klar, kennt sich der studierte Ökonom auch mit der Unia aus: «Diesen Satz habe ich frei improvisiert», verrät er work. Das kann und darf Imboden, weil er Schauspielerfahrung hat. Als Verwaltungsratspräsident und Medienchef des Openair Gampel hat er mit Tschugger-Regisseur Constantin schon eine ganze Reihe von Promovideos gedreht. Aber wie war das nun mit den Gewerkschaften?

PATRON MIT SPITZER FEDER

Imboden sagt: «Im Vergleich zur Syna tritt mir die Unia hier zu aggressiv auf.» Erst kürzlich habe er mit einem Gewerkschaftssekretär über das Zutrittsrecht auf Baustellen gestritten. Bestens bekannt ist Imboden daher auch im Briger Unia-Sekretariat. Es gebe durchaus Differenzen mit Imboden, heisst es dort. Andererseits rechne man ihm seine vorbildliche Corona-Prävention sehr hoch an. Tatsächlich setzte Imboden als einer der ersten auf betriebliche Massentests, Sicherheitskurse und spezielle Hygiene-Stationen. Für den Patron eine Selbstverständlichkeit. Er sagt: «Ein emphatischer Umgang mit meinen Leuten ist mir enorm wichtig.» Übrigens sei er nicht immer auf der Linie des Schweizerischen Baumeisterverbands. So sei er «nicht glücklich» darüber, dass der Verband erneut keine generellen Lohnerhöhungen gewähren wollte. Mit aufgeschlossenen Positionen fiel Imboden schon früher auf.

Als ehemaliger Kolumnist des Walliser Boten schrieb er mit spitzer Feder gegen Nationalismus, Homophobie und rechte Hardliner wie den Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor. Das kam an. Im März wurde Imboden für die CVP ins Kantonsparlament gewählt. Und bereits kursieren Gerüchte über eine baldige Nationalratskandidatur. Imboden aber winkt ab. Das sei momentan vor allem Wunschdenken von Ex-SP-Chef Peter Bodenmann. Dem Briger sei nämlich der amtierende CVP-Nationalrat Philipp Bregy ein Dorn im Auge. Tatsächlich bezeichnete Bodenmann den rechtskonservativen Bregy im Sommer als «den grössten Wendehals und Pöstli-Sammler südlich des Weisswurst-Äquators». Hohe Politik also. Und harte Polemik.

Beisst sich all das nicht mit einer Baugauner-Rolle im Sonntagnachtprogramm von SRF? Zu Beginn habe er durchaus Bedenken gehabt, sagt Imboden. Zumal die Figur Fricker ja doch einigermassen nahe an seinem Leben sei. «Letztlich habe ich aber verstanden: das ist eine einmalige Chance!» Sollen die Leute denken, was sie wollen, habe er sich gesagt. Und nun, wie denken Herr und Frau Walliser über des Baumeisters Auftritt? Für Imboden keine Frage: «Die Leute feiern es ab!»

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