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Sicherheitsfachfrau Manuela Peduzzi: «Kampfsport musst du schon können»

Christian Egg

Bei Schlägereien dazwischengehen: Das ist ihr Beruf. Trotzdem liebt Security-Frau Manuela Peduzzi (51) ihre Arbeit.

ÜBER UMWEGE: Manuela Peduzzi (51) arbeitete ursprünglich im Verkauf und wurde erst später Sicherheitsfachfrau. (Foto: Didier Ruef)

Zu Handgreiflichkeiten komme es meist so um zwei, drei Uhr morgens, sagt Manuela Peduzzi. Kurz bevor die Disco schliesse. Und meist seien es Gruppen, die aufeinander losgingen. «Zum Beispiel zwei gegen fünf. Dann ist es nur ein kleines Problem», so die erfahrene Sicherheitsfachfrau. Gefährlich werde es, wenn zwanzig, dreissig oder mehr Leute involviert seien.

Aber auch dann: Sie muss rein und die Streithähne trennen. Das ist ihr Job. Wie sie das macht? «Ich sehe meist, wer die Anführer sind auf beiden Seiten. Dann packe ich den einen und nehme ihn zur Seite. Dem anderen befehle ich, aufzuhören. So gewinne ich Zeit, bis meine Kollegen da sind. Oder bis die Polizei kommt.»

In solchen Momenten komme es auf die richtige Technik an: «Kampfsport musst du können, sonst kommst du nicht lebend aus der Situation raus.» Als einziges Hilfsmittel hat sie einen Pfefferspray dabei. Schon mehrmals sei sie kurz davor gewesen, ihn einzusetzen. «Aber zum Glück habe ich ihn in all den Jahren noch nie gebraucht.»

PEDUZZI SORGT FÜR SICHERHEIT: Mit Taschenlampe, Pfefferspray, Kampfsport und ihrem Security-Ausweis bewaffnet.

EIN MENSCH. Hart zupacken: Das ist die eine Seite des Berufs, sagt die Frau mit den goldenen Ohrringen und den diskreten Tattoos. Die andere Seite: mentale Stärke. «Im Einsatz bin ich voll konzentriert. Ich habe nicht zwei Augen offen, sondern zehn.» Zudem brauche es ein gutes Urteilsvermögen. «Ich muss blitzschnell entscheiden: Wann setze ich Kraft ein, wann das richtige Wort.» Egal, ob sie vor einem Re­staurant oder Pub stehe, am Hockey- oder Fussballmatch für Sicherheit sorge oder den Verkehr regle. Und über all dem steht ihr Credo: positive Energie. Sie achte darauf, dass sie nicht aggressiv oder einschüchternd wirke, sagt Peduzzi. «Auf eine Gruppe Junge gehe ich freundlich zu und frage: ‹Hey, wie geht’s?› – Und schon sehen sie mich als Menschen.»

Das zahle sich später aus, sagt sie. So wie letzten Samstag: Schlägerei vor der Disco, Peduzzi packt einen der Streithähne, zieht ihn ins Gebäude, Türe zu. «Der hat getobt und mich angeschrien, ich solle ihn sofort wieder rauslassen.» Hat sie natürlich nicht. Sondern erst, als er sich beruhigt hatte. «Am Schluss kam der Typ zu mir, umarmte mich und sagte: ‹Hey, sorry!›» Ja, sagt die 51jährige und schmunzelt, manchmal sei sie ein bisschen die Mutter dieser jungen Menschen.

MIESER LOHN. Der Kontakt mit vielen verschiedenen Leuten – deswegen liebt sie ihren Beruf. «Und wenn ich dazu beitragen kann, dass ein Fest gut über die Bühne geht und alle Freude haben – dann bereichert mich das.» Allerdings nur emotional. Die Löhne seien in der Branche einfach nur «enttäuschend», sagt das Unia-Mitglied. Zwischen 23 und 24 Franken erhält sie pro Stunde von ihren Arbeitgebern, zwei Tessiner Security-Firmen. «Wenigstens schauen die einigermassen, dass die Leute regelmässig arbeiten können.» Frühere Arbeitgeber hätten ihr immer wieder 900 Arbeitsstunden pro Jahr versprochen, was einem Pensum von nicht ganz 50 Prozent entspricht. «Aber in Wirklichkeit bin ich nie auf einen rechten Lohn gekommen. Schlimmer noch: Manchmal habe ich den Lohn für einen Einsatz gar nie bekommen.»

Obwohl sie nun schon mehr als zehn Jahre in der Branche arbeitet, ist sie immer noch im Stundenlohn angestellt. Leider sei das im Tessin der Normalfall, sagt sie. Fast niemand bekomme einen Vertrag mit einem fixen Pensum. Das müsse sich ändern, wenn die Branche den Jungen eine Perspektive bieten wolle, sagt Peduzzi: «Ohne gesichertes Einkommen hast du keine Chance auf eine Hypothek oder auf einen Leasingvertrag für ein Auto.»

UND DANN CORONA. Vor Corona kam sie meist auf 2500 bis 3000 Franken Lohn pro Monat. Doch plötzlich waren alle Discos geschlossen, alle Feste und Veranstaltungen abgesagt. «Es gab Monate, da habe ich nur 200 Franken verdient. Ich musste So­zialhilfe in Anspruch nehmen.» Erst seit Juni dieses Jahres gehe es wieder aufwärts. Aber langsam: «Im Oktober bin ich auf 1800 Franken gekommen, wenigstens!»


Manuela PeduzziJungs Paroli bieten

Als Mädchen spielte Manuela Peduzzi Eishockey und musste oft mit dem Vater wandern gehen. «Ich habe es gehasst. Aber es hat mich zäh gemacht.» Sie ist im Misox GR aufgewachsen. Dort habe ihr die «patriarchale Mentalität» nicht gepasst, sagt sie. Mit 15 gab’s deshalb öfter mal eine Schlägerei mit den Jungs: «Die wollten die Mädchen behandeln wie ihr Eigentum. Das habe ich nicht akzeptiert.»

Nach einer Verkaufslehre arbeitete sie in einer Migros-Filiale. Der Chef wies sie an, bei Bedarf den Ladendetektiven zu helfen. Was sie auch tat: «Einmal versuchte ein Dieb abzuhauen, der Detektiv und ich hinterher. Ich habe ihn geschnappt.» Später, beim Rapport, sagte ihr ein Polizist, sie solle sich doch bei einem Sicherheitsdienst bewerben.

SCHOCK. Anfangs hätten dort nur Muskelmänner gearbeitet. «Und da kam ich, die kleine Blonde. Einer war ganz schockiert und fragte den Chef: Was macht die da?» Aber Peduzzi blieb ganz cool und gab zurück: «Genau das gleiche wie du.»

In der Freizeit macht sie Kung-Fu, fährt Ski. Zusammen mit Kollegen kauft und repariert sie alte Autos. Sie hat eine erwachsene Tochter und lebt in Verdabbio GR – zusammen mit ihrer 70jährigen Mutter, einem Pinscher, einer Wasserschildkröte und einem Wellensittich.

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