Corona: Aufruf von Unia-Migrationsexperte Hilmi Gashi

«Macht es bitte besser als ich! Schützt euch! Impft euch!»

Hilmi Gashi*

Nein, ­Gewerkschafter Hilmi Gashi (54) ist kein ­Impfgegner. Doch mit der ­Reserviererei für die Corona-Impfung im Kanton Bern war’s nicht ganz einfach. Und dann kamen auch schon die Sommer­ferien, Gashi ­verschob den Piks auf danach. Und das Virus schlug zu.

ZU LANGE GEWARTET: Gewerkschafter Hilmi Gashi verschob seinen Impf-Termin nach hinten. Und das Virus schlug zu. Jetzt warnt er: «Wartet nicht! Macht es besser als ich!» (Foto: Matthias Luggen)

«Liebe Kolleginnen und K­ollegen, liebe work-Leser und -Leserinnen.

Die vierte Corona-Welle rollt auf uns zu: Seit dem 2. Juli haben sich die Spitaleinweisungen mit Covid verdreissigfacht. Das sagt das Bundesamt für Gesundheit. 90 Prozent der Hospitalisierten sind ungeimpft. Viele haben sich in den Ferien an­-gesteckt. Und schon wieder wird ­­es eng auf den Intensivstationen. Bereits verschieben einzelne Spitäler dringende Operationen auf später. Das ist ungemütlich! Und das macht Angst!

Auch ich war ungeimpft, als mich das Virus erwischte. Besser gesagt: Ich war noch nicht geimpft. Denn ich bin kein Impfgegner, ich bin sogar gegen Zecken geimpft. Aber irgendwie war das mit den Impfterminen im Kanton Bern ziemlich kompliziert. Ich ging zwar immer wieder online, um noch einen Termin zu ergattern, doch ich hatte Pech. Ich gehöre zu keiner Risikogruppe, habe auch keine Vorerkrankungen. So verging die Zeit. Plötzlich standen dann die Sommerferien vor der Tür. Ich dachte, okay, geh ich halt nachher impfen. Und genau dann schlug das Virus zu.

Schützt euch! Impft euch!
Mbrohuni! Vaksinohuni!
Zaštitite se! Vakcinišite se!
Protejam-se! Vacinem-se!
Kendinizi koruyun! Aşınızı olun!
¡Protegeos! ¡Vacunaos!

Auch mich erwischte es in den Ferien. Zum Glück musste ich nicht ins Spital! Aber auch so ist es nicht lustig. Ich fühlte mich wie auf einer Achterbahn: Am einen Tag ging’s bergauf, am anderen wieder rasant nach unten. Diese Krankheit ist völlig unberechenbar und auch unheimlich, jedenfalls ganz anders als die Grippe. Da liegst du dann isoliert im Zimmer im Bett, schleppst dich durch den Tag und fragst dich: Was kommt da noch? Wird’s bald besser werden? Und die Geschichten von Long Covid geistern im Kopf herum: Wird es mich auch treffen? Es sind belastende Vorstellungen, die durch die Isolation noch verstärkt werden.

Deshalb sage ich euch: Ich weiss, eine Impfung schützt nicht zu hundert Prozent, aber sie senkt das Risiko, an Corona zu erkranken oder als schwerer Fall im Spital zu landen. Und selbst für den seltenen Fall eines Impfdurchbruchs erkrankt ­die überwiegende Mehrheit der Betroffenen viel weniger schwer.

Unter dem Strich bleibt es wahrscheinlicher, mit der Impfung besser durch die Pandemie zu kommen, als ohne. Deshalb sollten sich alle, die sich impfen lassen wollen, auch impfen ­lassen können. Möglichst ohne Bürokratie! Wer schon bei einem einfachen Behördengang überfordert ist, wird es beim Impfgang erst recht sein. All die Bauarbeiter und Verkäuferinnen, die nicht am Computer arbeiten – sie brauchen unkomplizierte Impfangebote. Selbstverständlich ohne Zwang! Und für sie muss die Impfzeit unbedingt auf Arbeitszeit gehen. Da sind jetzt auch die Arbeitgeber gefordert! Gut, dass Arbeit­geberpräsident Valentin Vogt da vorangeht. Er sagte kürzlich (in der NZZ): ‹In der aktuellen Situation sollte das Impfen ausnahmsweise auch während der Arbeitszeit ermöglicht werden.›

Als Gewerkschafter weiss ich: Wer sich während der Arbeitszeit impfen lassen kann und keine Angst haben muss, wegen der Nebenwirkungen aus­zufallen, lässt sich eher impfen. Mir ist auch zu Ohren gekommen, dass an etlichen Arbeitsplätzen die Impf­skeptiker das grosse Maul führen. Das geht nicht! Da müssen die Betriebe dafür sorgen, dass die Diskussion offen und faktenbasiert geführt werden kann. Es sollen nicht die Impfskeptiker die Lautesten sein!

Und noch etwas, das mir sehr am Herzen liegt: Dieser Tage ist in den Medien viel die Rede von Impfmuffeln mit migrantischen Wurzeln. Besonders mit Wurzeln auf dem Balkan. Da kann ich nur sagen: Sorry, aber Covid ist kein Balkan-Virus! Impfskepsis ist in allen Gesellschaftsschichten und auch unter den Schweizerinnen und Schweizern stark verbreitet. Das zeigt die tiefe Impfquote hierzulande. Die tiefste in ganz Westeuropa!

Die Erkenntnis, dass sich die Deltavariante des Virus schneller verbreitet und nicht nur für Risikogruppen gefährlich ist, hat viele Menschen offensichtlich nicht erreicht. Das kann auch ein Grund sein, warum die jüngeren gezögert haben, sich impfen zu lassen.

Klar, es gibt auch unter den Mi­­grantinnen und Migranten Impf­skeptische, aber das ist kein Migra­tionsphänomen. Was aber stimmt, ist, dass die offizielle Impfkampagne diese Kolleginnen und Kollegen noch gar nicht richtig erreicht hat. Und dass sie deshalb noch viele Vorurteile gegen das Impfen haben.

Was es jetzt braucht, ist gut verständliche Aufklärung von Exper­tinnen und Experten aus ihrem eigenen Umfeld. Und in den Migra­tionssprachen.

Mir war es wichtig, als Direkt­betroffener meine Erfahrung mit euch zu teilen. Daher auch mein Appel an euch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Schützt euch! Impft euch!»

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* Hilmi Gashi (54) ist Leiter Bereich Interessengruppen bei der Unia und Migrationsexperte. Er wurde in Kosovo geboren, kam 1988 nach Bern. ­Ursprünglich als Saisonnier auf dem Bau. Seit 15 Jahren arbeitet er bei der Gewerkschaft Unia. Er lebt mit seiner Familie in Muri bei Bern.

1 Kommentar

  1. Beatus zumstein

    Schon ein bisschen peinlich, die Geschichte! Dieselbe Ausrede wie bei allen „Blick“-Opfern. Als Migrationsfachmann und Gewerkschafter sollte er doch sich besser als seine Klientel kennen.

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