Ihr Name ist Programm: Yumiko Egloff – auf japanisch die Schöne – schreinert Möbel mit viel Liebe zum Detail. Das bringt Ruhm und Ehre. Aber kein volles Portemonnaie.
LIEBE ZUM DETAIL: Yumiko Egloff stellt Möbel her. Sie sucht dabei im Makel die Perfektion. (Fotos: Michael Schoch)
Yumiko Egloff reibt sich die müden Augen. Sie sitzt auf einem Stuhl in ihrem Atelier in Adliswil bei Zürich. Auf der Herdplatte hinter ihr zischt der Kaffeekocher. Sie steht auf, nimmt zwei Tassen aus dem Schrank und schenkt die wachmachende Brühe ein. Das hat die Schreinerin nötig: Es sind lange Tage für die 40jährige. Am Abend arbeitet sie bis spät, manchmal bis Mitternacht. Am Morgen ist sie vor Tagesanbruch wieder in ihrer Schreinerei. Skizziert. Sägt. Bohrt. Leimt. «Corona sorgt bei mir für volle Auftragsbücher.» Die Leute geben weniger Geld für Ausgang, Ferien und Freizeit aus. Sie sind mehr zu Hause und wollen ein gemütliches Nest. Ein neues Bett, einen massiven Holztisch, ein Regal für die Plattensammlung. Dann melden sie sich bei der selbständigen Möbelschreinerin.
Yumiko – auf japanisch die Schöne – hat starke Schultern, praktische Hände und ein kreatives Hirn. Das war schon als Kind so. Aufgewachsen mit ihrer japanischen Mutter und ihrem Schweizer Vater im Zürcher Oberland, zimmerte sie lieber, als dass sie nähte. Als einziges Mädchen in der Klasse besuchte sie den Werkunterricht. Nach dem gestalterischen Vorkurs in Zürich studierte sie in Luzern Grafik und tauchte danach in die Agenturwelt ein. Doch die Arbeit erfüllte sie nicht. Zu wenig Selbstbestimmung. Zu eintönig. Zu kurzlebig. Egloff sagt: «Das ständige Sitzen vor dem Computer laugte mich aus.» Mit 26 hatte sie genug. Sie sattelte um und liess sich zur Schreinerin ausbilden. Vor acht Jahren wagte sie den Sprung in die Selbständigkeit. Im alten Webereigebäude in Adliswil hat sie neben ihrer Schreinerei ein Atelier, das sie sich mit sechs Frauen, einige davon enge Freundinnen, teilt.
FRAUENFRAGE. In Yumiko Egloffs Umfeld ist Gleichstellung ein wichtiges Thema, über das oft und hitzig diskutiert wird. Als Frau Schreinerin? Cool! Das sind die üblichen Reaktionen. Doch kaum entfernt sie sich aus ihrem Kosmos, stolpert sie immer wieder über Geschlechterklischees. Sei es, wenn sie mit ihrem Lieferwagen Holz abholt – eine Frau am Steuer – Achtung! Wenn sie allein in ihrer Werkstatt arbeitet, ein potentieller Kunde reinkommt und nach dem Chef fragt. Oder Männer ihr die Holzplatten abnehmen. Mit der Begründung: Das könne eine Frau doch nicht tragen. «Als Frau muss man sich in diesem Beruf immer behaupten», sagt Egloff. Manchmal kontert sie mit einem treffenden Spruch. Oft ignoriert sie die versteckten oder gar offensichtlichen Beleidigungen und steckt die Energie lieber in die Arbeit.
In dieser geht sie auf. Diese füllt sie aus. Das ist Hobby und Berufung in einem. Ihre Leidenschaft zahlt sich aus. Vor drei Jahren hat sie zusammen mit dem Architekten Thomas Meyer den begehrten Prix Lignum gewonnen. Dieser zeichnet die besten Holzarbeiten in der Schweiz aus. Das Duo hat einen Tisch entwickelt. Eine Hommage an den Dreirundtisch des Schweizer Künstlers Max Bill – und an das gesellige Beisammensein. Alles von Hand. Ohne Metall. Ohne Schrauben. Pures Holz. «Da stecken unzählige Arbeitsstunden drin.» Finanziell hat sich das Projekt nicht gerechnet. Aber das war auch nicht das oberste Ziel. Der Austausch und das gelungene Endergebnis stehen im Vordergrund. Yumiko Egloff: «Ich bin nicht gewinnorientiert. Das wird mir am Ende des Monats immer wieder bewusst.»
HOLZFRAGE. In Phasen, wo viel läuft – wie jetzt – und sie Freischaffende beschäftigt, zahlt sie einen fairen Lohn. Meist auf Kosten ihres eigenen Budgets. Und wenn ihr die Idee einer Kundin nicht gefällt, dann grübelt sie lieber einige Stunden unentgeltlich an einem besseren Vorschlag, als dass sie etwas schreinert, das nicht zu ihrem Stil passt. Dieser ist stark von ihren japanischen Wurzeln geprägt. Ihr gefallen Möbel, denen man die Arbeit nicht auf den ersten Blick ansieht. Dafür auf den zweiten umso mehr.
Das färbt auf die Holzwahl ab. Lieber greift sie zur ruhigen, unaufgeregten Weisstanne als zum pompösen Nussbaum. Doch egal, welchen Stamm sie bestellt: die Lieferung ist auch nach jahrelanger Erfahrung immer wieder eine Überraschung. Manche Bretter haben Äste. Andere Risse, Verfärbungen oder Verletzungen. Und manchmal macht der Makel am Ende das Unikat aus. Yumiko Egloff umschreibt es so: «Bäume sind in ihrem Innern so vielfältig wie Menschen. Das macht die Arbeit so spannend!»
Yumiko EgloffRythmus im Blut
Ein Leben ohne Musik: unvorstellbar! Früher hat Yumiko Egloff als DJane in Clubs und Frauenräumen aufgelegt. Zusammen mit zwei Freundinnen war sie nächtelang in Bern und Zürich unterwegs. Diese wilden Zeiten sind etwas vorbei. «Mit dem Alter erhält der Schlaf einen höheren Stellenwert.» Doch noch immer ist Musik eine ständige Begleiterin. Kaum fährt sie im Auto los, schaltet sie die Anlage an. Für das Gemeinschaftsatelier hat sie eine Küchenzeile auf Rädern erstellt. Diese lässt sich in eine Bar oder in ein DJ-Pult umfunktionieren.
KLANGWELT. Ihre musikalische Heimat ist der Hip-Hop. Ihr Herz schlägt für den Sprechgesang. Und zwar seit ihrer Jugend. Doch mittlerweile hat Yumiko Egloff ihr Repertoire erweitert. Sie hört alles von Blues über Jazz bis hin zu Volksmusik – sei es aus der Schweiz, der Mongolei oder Japan. «Ich finde in fast allen Klängen etwas Schönes», sagt die 40jährige. Das einzige, was für sie nicht geht, ist Latin. Bei Juanes, Enrique Inglesias & Co. schaltet sie ab.
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