Mail-Flut und Gesundheitsschutz: So wappnet sich die Unia

«Gerade jetzt müssen wir da sein!»

Jonas Komposch

Der Corona-Virus fordert auch die Unia heraus. Über Nacht wurde die Gewerkschaft von einer Mail- und Telefon-Lawine überrollt. Und auf Baustellen und in Betrieben rumort es zünftig.

GEFRAGT: Die Unia wird mit Anfragen überhäuft – und hält mit der Info-Hotline zu arbeitsrechtlichen Fragen auch Antworten bereit. (Foto: Keystone)

Danijela Bašić (32) ist Leiterin der Unia-Sektion Säntis-Bodensee, und zu ihrem Job gehört normalerweise viel Büroarbeit. Doch seit dem Ausbruch der Corona-Krise ist die Unia-Frau praktisch nur noch auf Achse. In Zweiergruppen klappern sie und ihr Team syste­matisch die Werkstätten, Ladengeschäfte und Baustellen der Ostschweiz ab. Um jene Menschen zu unterstützen, die nicht im Homeoffice arbeiten können. Und um zu kontrollieren, ob die Unternehmen die Schutzbestimmungen einhalten. Bašić sagt: «Was jetzt abgeht, ist krass. Der Virus dominiert alles!» Und: «Die Hygienerichtlinien werden sehr oft verletzt. Und das schon seit zwei Wochen.»

«Hygienerichtlinien werden seit Wochen sehr oft verletzt.»

PANDEMIE-CHAT

So lange schon besteht auch der «Pandemie-Chat» der Unia-Region Ostschweiz-Graubünden. Darin tragen Gewerkschaftsmitarbei­ten­de und aktive Mitglieder Informationen über die Zustände in den Betrieben zusammen – im Minutentakt. Bašić : «Der Chat ist völlig am Eskalieren, so zahlreich sind die Geset­zes­ver­stösse!» Die Arbeitenden seien deshalb ungemein dankbar, dass sich jemand für ihre Lage interessiere. Das gelte ohne Ausnahme: «Während wir Unia-Leute uns vor der Krise hie und da dumme Sprüche anhören mussten, werden wir jetzt überall mit offenen Armen emp­fangen.» Gleichzeitig verzeichnet die Region einen massiven Mitglie­der­­zuwachs, obwohl die aktive Mitgliederwerbung in dieser Ausnahmesituation vollständig ruht.

Gleich tönt es aus Bern, wo Unia-Sekretär Cihan Apaydin (39) und seine Kolleginnen und Kollegen zuerst klären mussten, wie Gewerkschaftsarbeit unter den neuen Sicherheitsregeln überhaupt weitergehen konnte. Schliesslich bleibe bei den vielen Baustellen- und Betriebsbesuchen trotz dem Zwei-Meter-Abstand ein Restrisiko. Doch letztlich sei für alle klar gewesen: «Gerade jetzt müssen wir für die noch arbeitenden Kolleginnen und Kollegen da sein!» Also teilte sich das Berner Team auf. Ein Teil arbeitet seither nur noch im Home­office, ein anderer nur noch draussen. So wird die Ansteckungsgefahr minimiert und die Gewerkschaft bleibt trotzdem präsent. Und das werde ungemein geschätzt. Apaydin: «Das Lob der Leute, die noch immer tagtäglich raus zur Arbeit müssen, ist überwältigend.»

Unia-Arbeitslosenkasse: «Wir geben Vollgas!»

Voll beansprucht werden derzeit auch die 400 Mitarbeitenden der Arbeitslosenkasse der Unia (ALK), der schweizweit grössten ­Kasse. Sämtliche Schalter sind zwar geschlossen, doch im Hintergrund brummt der Motor auf Hochtouren. Denn bereits jetzt ­haben Unternehmen Kurzarbeit für Hunderttausende Mitarbeitende beantragt. Noch ­sind die meisten Gesuche bei den Kantonen hängig.
TSUNAMI. Doch schon bald liegen viele von ihnen bei der ALK auf dem Tisch. Timur ­Öztürk (47) von der ALK-Stabsleitung weiss daher: «Auf uns kommt ein Tsunami zu.»
Und zwar ein langanhaltender. Denn nach der Pandemie werde wohl auch die Arbeitslosigkeit steigen. Dennoch versichert Öztürk: «Auch wenn die Zeit drängt, wir haben es im Griff und geben Vollgas!»

TASKFORCE UND ONLINE-SCRIPT

Alle Hände voll zu tun haben auch die rund 320 Mitarbeitenden der nationalen Unia-Zentrale in Bern. Davon die meisten jetzt in Heimarbeit. Nicht aber Geschäftsleitungsmitglied Renate Schoch (55). Sie ist am Hauptsitz für die Mitgliederbetreuung zuständig und sagt: «Seitdem der Bundesrat den Notstand ausgerufen hat, erreicht uns eine einmalige Flut von Mails und Telefonanfragen.» Sofort hätten sich daher 70 Mitarbeitende der Zentrale zum Telefondienst gemeldet. Ausserdem setzte die Unia gleich zwei Corona-Taskforces ein. Eine, die sicherstellt, dass die Gewerkschaft auch in der Pandemie effizient weiterarbeiten kann. Und eine, die im Nu eine Info-Hotline und ein Webformular zu arbeitsrechtlichen Fragen aus dem Boden gestampft hat. Schnell reagieren musste auch Zürich-Schaffhausen, die grösste aller Unia-Regionen. Auch dort ist die Gewerkschaft mit Fragen nur so eingedeckt worden und hat deshalb 14 Mitarbeitende ausschliesslich mit der telefonischen Rechtsauskunft beauftragt.

Doch nicht einmal das reichte aus, um den Riesenandrang bewälti­gen zu können. Eine Lösung fand schliesslich Gezim Vilanci (36), Leiter der regionalen Mitgliederbetreuung: «Die Not hat unseren Erfindergeist geweckt – jetzt haben wir ein Online-Script.» Ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht – mit dem neu erstellten Tool können nun alle Auskunftssuchenden ihre Fragen online direkt übermitteln.

Die Unia kann so schneller reagieren, Interventionen einfacher koordinieren und erhält erst noch eine bessere Übersicht über die meistgenannten Probleme und Sorgen. Vilanci ist zufrieden. Mit seinem Script konnte die Unia bereits in einer Woche über 900 Benutzerinnen und Benutzern Hilfe bieten.


Corona-Krise: Das fordert die Unia

«Die Eindämmung der Covid-19-Pandemie und der gesundheitliche und soziale Schutz der Arbeitnehmenden und der Bevölkerung haben oberste Priorität.»

Die Schutzmassnahmen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) werden von vielen Betrieben nicht ein­gehalten. Zudem haben die Behörden die Kontrollen am Arbeitsplatz weitgehend eingestellt. Das ist nicht akzeptabel. Die Behörden müssen die Konsequenzen ziehen und die Arbeiten in nicht­essentiellen Bereichen einstellen. Ausser Unternehmen weisen nach, dass sie die behördlichen Schutzvorgaben rigoros einhalten.

Die BAG-Bestimmungen zur Pandemiebekämpfung gelten auch für Unternehmen, die gesellschaftlich unverzichtbare Leistungen erbringen. Diese können ihre Aktivitäten nicht vollumfänglich einstellen. Im Gegenzug müssen die Schutz­massnahmen sofort umgesetzt und von den Behörden umgehend kontrolliert werden. Andernfalls müssen die Tätigkeiten auch dort eingeschränkt werden.

Die Behörden sind auch sozial- und wirtschaftspolitisch gefordert. Damit aus dem Gesundheitsnotstand kein Sozialnotstand wird, braucht es ausserordentliche Massnahmen.

Keine Entlassungen wegen Covid-19!

DIE UNIA FORDERT:

1. Gesundheit schützen

  • Einstellung der Arbeit durch die Behörden in nichtessentiellen Bereichen bei voller Lohngarantie. Ausser Unternehmen weisen nach, dass sie die behördlichen Schutzvorgaben rigoros einhalten.
  • Für gesellschaftlich essentielle Tätig­keiten müssen die Schutzmassnahmen mit Hochdruck umgesetzt und von den Behörden umgehend kontrolliert werden.
  • Sofortiger Einbezug der Mitarbeitenden und ihrer Vertretungen bei der Umsetzung der Schutzmassnahmen.
  • Kinderbetreuungsangebote für Arbeitnehmende in essentiellen Wirtschaftsbereichen.
  • Das Arbeitsgesetz ist einzuhalten. Eine Ausdehnung der Arbeits- und Öffnungs­zeiten zu Lasten der bereits überlasteten Arbeitnehmenden in exponierten Bereichen kommt nicht in Frage.

2. Löhne sichern

  • Keine Entlassungen wegen Covid-19.
  • Keine Zwangsferien, keine angeordneten Minusstunden.
  • Bewilligung von Kurzarbeit, unbüro­kratisch und ohne Karenztage für alle
    Arbeitnehmenden, inklusive Temporärangestellte.
  • Zeitlich unbeschränkte Garantie der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmende mit Betreuungspflichten (über 3 Tage hinaus) bis zum Ende der Pandemie-Massnahmen.
    Garantie beziehungsweise Sofortfinanzierung aller übrigen Lohnausfälle infolge ­Covid-19.

3. Soziale Sicherheit und Solidarität stärken

  • Keine Aussteuerungen während der Krise. Sofortige Verlängerung der ALV-Bezugsdauer für alle Arbeitslosen um 200 Tage.
  • Für die Dauer der Krise müssen Kantone und Gemeinden die Krankenkassenprämien von Menschen übernehmen, die wegen Covid-19 in finanzielle Not geraten.

4. Krise bekämpfen

  • Liquiditätsfonds für notleidende Betriebe.
  • Stützungsprogramme für Unternehmen und Arbeitnehmende in Schwierigkeiten.
  • Krisenfonds zur langfristigen Sicherung der Kaufkraft und zur Wiederbelebung der Wirtschaft.

1 Kommentar

  1. Peter Bitterli

    Wäre jetzt nicht eine gute Gelegenheit, diejenigen Gewerkschaften, die noch nicht an Schwindsucht oder Suizid eingegangen sind, nach dem Vorbild von Lady Thatcher zu zerschlagen, um den Wiederaufbau nach der Hysterie so schnell, kreativ, und unbürokratisch wie möglich zu gestalten?

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