Dicker Bschiss auf der Baustelle bei der Europaallee beim Zürcher Hauptbahnhof: Die Sub-Sub-Unternehmensfirma Edil Service aus Zug prellte italienische Plattenleger um mehrere Monatslöhne. Doch dann schaltete sich die Unia ein.
ENDLICH LOHN! Pietro Martucci (zweiter von links oben), Gennaro Nocerino (erster von links unten), Liviu Stanciu (zweiter von links unten), ihre Kollegen und Unia-Mitarbeitende freuen sich über den Erfolg. (Foto: Stephan Germann)
3500 Franken netto, dazu Kost und Logis. Mit diesem Angebot lockte ein Vermittler im letzten Sommer vier italienische Plattenleger aus der Region Umbrien in die Schweiz. Einer von ihnen ist der 50jährige Pietro Martucci. Er erzählt: «Wir sind im Juli hier angekommen, mit fast leerem Portemonnaie, aber mit viel Energie und gutem Willen.» Zuerst war nur ein Einsatz von 8 Tagen abgemacht, den Lohn dafür hätten sie pünktlich erhalten. Danach bot ihnen der Chef an, den Vertrag zu verlängern. «Was konnte Besseres geschehen?» So arbeiteten die Plattenleger während Monaten auf der Baustelle an der Europaallee beim Zürcher Hauptbahnhof für die Firma Edil Service aus Zug, ein Sub-Sub-Unternehmen. Als die Wochen vergingen, kamen immer neue Italiener dazu. 19 waren es am Schluss.
Doch die Arbeiter mussten in Zürich eine bittere Erfahrung machen. Vom versprochenen Lohn sahen sie nichts. Christa Suter von der Unia Zürich: «Sie erhielten nur kleine Zahlungen in bar, ohne Quittung.» Und der 41jährige Liviu Stanciu ergänzt: «Die Firma hat die Lohnzahlungen immer wieder unter irgendwelchen Vorwänden verzögert.»
«Die Gewerkschaften haben hier mehr Macht als in Italien.»
ESSPÄCKLI AUS ITALIEN
Die Plattenleger waren in ständiger Geldnot. Sie hielten sich über Wasser, so gut sie konnten. Wer nach Italien ging, brachte Esspäckli für die ganze Gruppe mit. Denn auch die versprochene Verpflegung durch die Firma blieb aus. Es kam vor, dass einer der Plattenleger in Not mit dem Tram schwarz zur Arbeit fuhr.
Die Arbeiter wurden immer verzweifelter. Die ausstehenden Lohnbeträge wurden immer grösser. Sie zwangen sich, auszuharren, um nicht alles zu verlieren. Und hofften, dass sie bald von der Firma ihr Geld bekämen.
Doch das Geld kam nicht. Stattdessen griff das Sub-Sub-Unternehmen in die Trickkiste, um im Falle einer Kontrolle nicht aufzufliegen. Er zeigte den Arbeitern Onlinebanking-Belege, die beweisen sollten, dass der Lohn auf ihr Bankkonto überwiesen worden sei. Doch nachdem die Arbeiter den Empfang des Lohnes schriftlich bestätigt hatten, stornierte die Firma den Internet-Bankauftrag.
Im November erfuhr die Unia von diesem Bschiss. Sie intervenierte beim Generalunternehmer Porr. Die österreichische Baufirma ist für die Baustelle an der Europaallee zuständig. Gewerkschafterin Suter sagt, Porr habe sich sehr kooperativ gezeigt. «Sehr schnell, noch vor Weihnachten, konnten wir eine Vereinbarung unterschreiben.» Insgesamt haben die geprellten Plattenleger Lohnnachzahlungen in der Höhe von 100’000 Franken bekommen. Und einen neuen Vertrag. Nicht mehr mit dem Sub-Sub-Unternehmen, sondern direkt mit einer Schweizer Plattenlegerfirma.
NOCH MEHR ZAHLUNGEN?
Arbeiter Pietro freut sich riesig: «Das war super! Da haben uns sehr kompetente Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter geholfen.» Und sein Arbeitskollege, der 56jährige Gennaro Nocerino, fügt hinzu: «Hier wird der Arbeiter respektiert. Die Gewerkschaften haben in der Schweiz mehr Macht als in Italien.»
Aber das ist nicht alles. Die Unia hat festgestellt, dass die Arbeiter nicht nur beim Hauptbahnhof, sondern auch auf anderen Baustellen in der Region Zürich tätig waren. Christa Suter: «Nach meinen Berechnungen haben diese Arbeiter Anspruch auf weitere 200’000 Franken.» Sie nimmt jetzt mit den beteiligten Firmen Kontakt auf, um die Verhältnisse abzuklären. «Ich bin zuversichtlich, dass wir auch hier eine Lösung finden werden», meint die Unia-Frau und vertieft sich sofort wieder in das Dossier auf ihrem Schreibtisch.