Radiomoderator Ralph Wicki: Hundert Prozent authentisch

Er liebt die Menschen, und er hat den Kopf voller Musik. Den Nachtclub moderieren zu dürfen mache ihn zum glücklichsten Menschen in der ganzen SRG, sagt Ralph Wicki.

STIMME DER NACHT: Schon seit mehr als 550 Sendungen ist Ralph Wicki (57) im Nachtclub auf Radio SRF 1 zu hören. (Fotos: Nicolas Zonvi)

Auf die Frage, was denn schwierig sei an seinem Job, fährt sich Wicki gedankenverloren durch die Mähne, kneift die leuchtend blauen Augen zusammen und sagt dann: «Vor technischen Pannen habe ich Respekt. Wenn ein Trailer nicht läuft oder gar die Nachrichten mal nicht sofort kommen, da werden ich nervös!»

Aber seine grösste Angst sei, dass mal niemand anrufen würde, erzählt er beim Kaffee am Sonntagnachmittag in Bern. Vor jeder Sendung schreibt er rund 15 Seiten Text auf, Anekdoten aus seinem eigenen Leben und alles, was ihm zum jeweiligen Thema einfällt. Wenn er dann kurz vor 22 Uhr den Senderaum betritt, dimmt er erst mal das Licht und macht es sich gemütlich. Setzt sein Lämmchen auf den Tisch; das Stofftier ist seit vielen Jahren sein Maskottchen und immer mit auf Sendung. Wicki ordnet seine Zettel, sammelt seine Gedanken.

KEINE MINUTE LANGWEILIG. Radiomachen, das sei wie Meditieren, sagt er und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht, «sobald ich auf Sendung gehe, lebe ich voll und ganz im Moment. Ich habe jeweils keine Ahnung, wer anruft, ich weiss nie, was kommt.» Ihm sei auch nach über 550 Sendungen noch keine Minute langweilig geworden bei der Arbeit. Und die vielen No­tizen, die habe er übrigens noch gar nie ­gebraucht. Aber ohne Manuskript auf Sendung zu gehen, das würde er sich nicht getrauen. Inzwischen hat er über zwei Meter Bundesordner mit ungebrauchten Sendungsmanuskripten.

Dass es nie langweilig wird, würde ja schon reichen, um seine Arbeit als Traumjob zu bezeichnen. Aber das Beste, so schwärmt der quirlige Luzerner, das Allerbeste an seiner Arbeit sei die Musikanlage. Er sei ja jeweils nachts ganz alleine im ­Radiostudio in Zürich. Wenn dann ein geiler Song komme, dann drehe er die Lautstärke voll auf, «die Boxen im Studio, die sind besser als in jeder Disco!».

Auch bei der Musikauswahl nimmt sich Wicki einige Freiheiten heraus, obwohl er das strenggenommen gar nicht tun dürfte. Normalerweise wird die Musik von der Musikredaktion zusammengestellt. Aber während eines Gespräches gehe ihm manchmal ein Song zum Thema durch den Kopf, dann suche er den spontan heraus.

Und es kommt öfter mal vor, dass ­Wicki genau das passende Lied in den Sinn kommt. Denn Musik ist neben Radiomachen seine zweite Leidenschaft. Allein auf dem Laptop hat er über 300 000 Songs gespeichert, und in seiner Sammlung befinden sich 15 000 Platten und 30 000 CDs. Und welches ist seine Lieblingsplatte? Da muss Wicki nicht lange überlegen: «‹Dark Side of the Moon› von Pink Floyd – mein Lieblingssong aller Zeiten ist ‹Time›. Ah, Musik, Musik und Menschen», schwärmt er, «beim Radio habe ich wirklich alles, was mir wichtig ist!» Was Wicki ausserdem gefällt an seinem Job: für einige Stunden «nicht gesehen zu werden, das macht auch die Leute freier, die mich in die Sendung anrufen. In der Nacht sind die Menschen sowieso offener und authentischer. Das gefällt mir, das Ungefilterte, Ehrliche. Ich selber verstelle mich ja auch nicht.»

TREUER BEGLEITER: Im Radiostudio ist Ralph Wickis Lamm immer dabei und unterstützt ihn bei der Moderation seiner Nachtsendung.

IMMER WIEDER BAFF. Oft staune er, wie alt die Menschen seien, die ihn anrufen: «Die Art, wie sie reden, wie fit der Geist und die Stimme sind, da bin ich immer wieder baff, wenn sie dann ihr Alter nennen.» Neulich habe eine Frau offen über Sex und ihre Beziehung zu einem jungen Mann geredet, da sei er total überrascht gewesen, als sie sagte, sie sei 82 Jahre alt. Überhaupt sei es für die Leute befreiend, reden zu können, ohne gesehen zu werden. Er lacht, ihm gehe das ja selber so: «Die Leute sehen meine langen Haare und die Tattoos und denken vielleicht, ich sein ein Wilder. In der Nacht kann ich das ablegen, da bin ich nur Stimme, hundert Prozent ehrlich und authentisch.» Und sein Erfolgsgeheimnis am Radio sei ganz einfach: «Ich nehme alle Menschen ernst!»

Dreimal in der Woche begleitet er seine rund 200 000 Hörerinnen und Hörer in den Schlaf beziehungsweise durch ihre Nachtschicht, falls sie in der Zeit von 22 Uhr bis ein Uhr früh arbeiten. Diese Arbeitszeit komme auch seinem persönlichen Rhythmus entgegen. «Ich könnte nie am Morgen arbeiten!» gesteht Wicki, «ich war immer ein Einzelgänger, und in der Nacht, da sind meine Freunde, die Gleichgesinnten, wach. In der Nacht, da geht es um Gefühle und Geschichten, die sonst keinen Platz haben.»


Ralph Wicki: Ein Leben fürs Radio

Ralph Wicki (*1961) wuchs in Luzern auf. Nach der Matura versuchte er sich in verschiedenen Studienrichtungen, fand alles interessant und konnte sich doch für nichts richtig begeistern. Er wechselte von Medizin zu Medien, dann zu Politologie und Literatur. 1987 absolvierte er ein Praktikum beim Berner Lokalradio Extra Bern. Da machte es Klick, und das Radiovirus packte ihn. Sein halbes Leben hat er nun bei verschiedenen Radios verbracht. Zuletzt war er Musik-
chef vom damaligen DRS 1. Nach einem Abstecher in die Privatwirtschaft und dem Versuch, einen Plattenvertrieb aufzubauen und ein Label zu gründen, kehrte er vor vier Jahren wieder zurück zu SRF 1, wo er seither den Nachtclub moderiert.

BESCHEIDEN. Er habe anfangs weniger verdient als die Moderatoren am Tag, erzählt er, dann habe er sich gewehrt. Viel benötigt er aber nicht zum Leben: «Ich brauche einfach mein GA und genug, um die Rechnungen zu bezahlen.» Eigentlich leiste er sich neben der Arbeit nur noch einen Luxus: einmal im Jahr Ferien auf einer kleinen Insel in Thailand. Während der Woche lebt Wicki in Zürich, am Wochen­ende ist er in der Nähe von Bern bei seiner Freundin.

8 Kommentare

  1. Adolf Schneider 7. Dezember 2022 um 20:04 Uhr

    Lieber Ralph, Inge und ich hatten uns gestern im „Nachtclub“ zum Thema neue Technologien NET gemeldet. Inge hat heute darüber einen kurzen Bericht für unser Fachmagazin „NET-Journal“ geschrieben. Sollen wir Dir den Bericht vor Publikation in Nr. 1/2 2023 schicken? Es war super, Dich kennen zu lernen.
    Herzliche Grüsse
    Adolf & Inge Schneider

  2. stäheli elisabeth 4. September 2021 um 7:25 Uhr

    Lieber Ralph

    habe gehört, dass eine Deiner Alperfahrungen ist, dass die alltägliche überzeugte, von Herzen kommende Spontaneität auf der Alp bei Dir grossen Eindruck hinterlassen haben.
    Das nennen wir bei uns auf unserem Hof „geerdet sein“. Und genau dieses Gefühl erhält uns in der Landwirtschaft am Leben. Denn da wachsen die Bäume weder in den Himmel, noch geht die Welt unter. Ist doch gut so.
    Mit spätsommerlichem Gruss
    Elisabeth .

  3. Victoria Burkhart 23. Juni 2021 um 15:44 Uhr

    Lieber Ralph, mein geliebter Ehemann, der mein Sekretär ist, dies, weil ich seit längerer Zeit nur noch 5% sehe, schreibt heute diese Zeilen für mich an Dich, um Dich von Deinem Versprechen, anzurufen, zu entlasten, da alle meine Fragen an Dich mir im Internet durch meinen Mann beantwortet wurden. Ich empfand als wärest Du persönlich dabei gewesen und bedaure sehr, dass ich Deine Sendung vom 22. 6. über das Thema „beten“ verpasst habe. Mein Mann, 97 und ich 95 können uns im hohen Alter, zusammen mit einer grossen Zuhöhrerschaft für Deine grossartige Radioarbeit begeistern und ich bedanke mich ganz herzlich für Deine Einfühlbarkeit – ein Geschenk des Himmels! –

    Wir schenken Dir unsere Liebe für langes Leben und wünschen Dir Gottes Segen.

    Victoria Burkhart, Gümligen

  4. Lisbeth Haas 22. April 2021 um 23:37 Uhr

    Zum Glück hett das Grät e Gnopf oder Schälterli zum Abschtelle. Loose muess Niemer !

  5. Susanna Sägesser 29. Januar 2021 um 17:45 Uhr

    Der „Ohrentreff“, die neuste Erfindung von Ralph Wicki, schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus! Der „Nachtclub“ ist für mich schon lange nicht mehr zum zuhören: das Geplapper, auch das der HörerInnen, war kaum je interessant, deshalb für mich tabu. Gestern bin ich zufällig auf den „Ohrentreff“ gestossen: um das Wort des Jahres von Herrn Wicki zu gebrauchen, hat es gar nicht „gmätscht“. So ein absoluter Unsinn, das Radio macht jetzt auf Partnervermittlung! Geit’s de noh??
    MfG Susanna

  6. Dubach 18. Januar 2020 um 0:38 Uhr

    Lieber Ralph schon lange höre ich dich nicht am Radio. Das beunruhigt mich sehr!! Darf ich wissen wann du wieder zu hören bist? Liebe Grüsse myrta dubach

  7. Maria Ferrini 22. Februar 2018 um 20:29 Uhr

    wenn Ralph Wicki den Nachtclub moderiert schlafe ich nachher ganz entspannt ein. Seine angenehme Stimme,sein einfühlsames Wesen baut Stress und Anspannung ab. Besser als ein Valium😊. Ich würde ihn am liebsten jede Nacht hören. Ich lebe allein aber wenn Ralph moderiert ist es als hätte ich Besuch. Danke Ralph Wicki😍

    • Dubach 25. Dezember 2018 um 23:43 Uhr

      Fühle genau so wie oben kommentiert Bin ganz unglücklich wenn er soo lange nicht moderiert Ralph gibt mir so ein Wunderbares Gefühl ernsr und wahrgenommen zu sein ! Bitte komm bald wieder miebe Gruess myrta

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