Nach Massenentlassungen neue Temporäre eingestellt

So fies geschäftet Bombardier

Sabine Reber

Dreister geht’s nimmer. Der Zugbauer Bombardier stellt 480 Temporäre gnadenlos und ohne Sozialplan auf die Strasse. Und heuert gleichzeitig 150 neue Temporäre an.

Zug um Zug: Während der SBB-Grossauftrag läuft, wechselt Bombardier die Beschäftigten in Villeneuve nach Belieben aus. (Foto: Keystone)

Die Arbeiterinnen und Arbeiter von Bombardier im waadtländischen Villeneuve verstehen die Welt nicht mehr. Erst werden 480 Temporäre und 170 Festangestellte entlassen. Noch während diese Massenentlassung läuft, stellt der kanadische Eisenbahnriese wieder neue Temporäre ein. Der Mechaniker Jean Muller (Name geändert) empört sich: «Schon seit August werden wieder neue Temporäre eingestellt! Und gleichzeitig gehen die Entlassungen weiter.»

Die Rede ist von 150 neuen Temporären. Etwa ein Drittel davon sind französische Grenzgänger, spezialisierte Zugbautechniker, aber auch Mechaniker und andere Arbeiter. Irgendjemand muss schliesslich die 62 SBB-Doppelstockzüge fertig bauen, die längst auf Schweizer Gleisen rollen sollten.

Die Arbeitenden, die nun entlassen werden, sind offiziell beim weltgrössten Temporärvermittler Adecco angestellt. Adecco habe ein eigenes Büro auf dem Bombardier-Gelände, erzählt der Gewährsmann und schildert: «Dort werden die einen entlassen und gleichzeitig die nächsten angestellt. Das sind wahrlich groteske Zustände! Wir sind alle entsetzt.» Informationen bekommen die Betroffenen auch keine. Offenbar habe die Personalkommission ein Schweigeabkommen unterzeichnen müssen. Muller: «Seither wissen wir gar nichts mehr. Dabei sind das so schöne Züge! Wir sind stolz, sie zu bauen. Aber nun verstehen wir nicht, was die Manager wirklich im Schilde führen.»

EINE SCHANDE. Noch schlimmer: Der kanadische Eisenbahnbauer Bombardier foutiert sich um die Rechte der entlassenen Temporären. Sie stehen ohne Sozialplan da. Mit nichts in den Händen ausser dem Kündigungsschreiben.

Bei Bombardier in Villeneuve beträgt der Anteil der Leiharbeiter rund 70 Prozent, manche waren über Jahre temporär angestellt.

Die Unia verlangt seit langem die Beschränkung der Temporärbeschäftigten auf 10 Prozent der Stammbelegschaft. Denn die Zeitarbeitenden werden für Lohn- und Sozialdumping missbraucht und verwässern die Gesamt arbeitsverträge. Unia-Sprecher Philipp Zimmermann: «Für eine verantwortungsvolle Firma mit staatlichen Aufträgen ist es eine Schande, so zu geschäften!»

Für die rund 170 Festangestellten, die bei Bombardier entlassen wurden, hat die Personalkommission inzwischen immerhin einen Sozialplan aushandeln können.

MIT SYSTEM. Das ausbeuterische Geschäftsmodell des Eisenbahnmultis hat System: Die Bestandteile für die SBBDoppelstockzüge lässt der kanadische Eisenbahnriese hauptsächlich im ostdeutschen Görlitz herstellen. Auch dort arbeiten vorwiegend Temporäre, von denen viele auf die Strasse gestellt wurden. Diese wurden dann durch neue Leiharbeiter aus Osteuropa, Grossbritannien und den Niederlanden ersetzt, wie die «Sonntagszeitung » neulich berichtete. In Görlitz werden unter anderem die Wagenkasten für die Schweizer SBB-Züge gebaut.

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