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Stefan Kleyer: «Bier ist etwas Geselliges»

Christina Scheidegger

Am liebsten mag Stefan Kleyer gut gehopfte Biere. Und er weiss ganz genau, was es dafür braucht.

Hopfen und Malz: Brauer Stefan Kleyer (40) hat einen starken Bezug zum Produkt, das er herstellt. (Fotos Stefan Bohrer)

Wer mit dem Zug im Bahnhof Rheinfelden einfährt, muss nicht lange überlegen, wo’s zur Brauerei Feldschlösschen geht. Die eindrucksvolle Anlage steht gut sichtbar inmitten grüner Wiesen auf einem kleinen Hügel, die Gebäude sind aus roten und gelben Backsteinen gebaut. Man könnte sie auch für eine herrschaftliche Wohnanlage halten. Ein Feld-Schlösschen halt.
Die Fassade ist alt, doch darin steckt eine hochmoderne Fabrikanlage. Das merkt man auch am Geruch. Den gibt es nämlich kaum. Das sei früher anders gewesen, erklärt Brauer Stefan Kleyer: «Da hat man Brauereien schon von weitem gerochen.» Der 40jährige muss es wissen. Seit fast 20 Jahren arbeitet er bei Feldschlösschen in Rheinfelden AG. Zuvor hat er in Berlin eine Lehre als Brauer und Mälzer gemacht. Die Berufswahl war im Grunde ein Zufall: «Ich wusste nicht, was ich werden wollte. Mein Vater trinkt gerne Bier und hat mir zwei Stellenannoncen von Brauereien hingelegt. Das war der Einstieg.»

ALTE HAUDEGEN. Am Anfang habe er es nicht so mit dem Bier gehabt, sagt Kleyer: «Es hat mir eigentlich gar nicht geschmeckt.» Aber die Gesellen, «die alten Haudegen», und der Lehrmeister haben dem Lehrling den rechten Brauerstolz vermittelt. Und so hat Kleyer heute eine starke Beziehung zum Produkt, das er herstellt. «Bier ist etwas Geselliges. Ich geniesse es, mit den Kollegen ein Feierabendbier zu trinken.» Jeder Brauer kenne das: Man habe das Produkt schliesslich selbst hergestellt. Und man weiss, wie viel Arbeit darinsteckt.

Das ist heute noch so, auch wenn sich der Beruf stark gewandelt hat. Früher war das Brauen ein körperbetontes Handwerk. Schwere Hopfensäcke und volle Bierfässer sind keine Kleinigkeit, dafür braucht es ­ordentlich Muskeln. Kleyer: «Die in der Fass­abfüllerei haben auch mal zwei, drei Liter Bier am Tag getrunken. Durch die körperliche Arbeit haben sie den ganzen Alkohol gleich wieder verbrannt.»

Das ist heute kein Thema mehr. Bei Feldschlösschen herrscht während der Arbeitszeit Nulltoleranz. «Anders geht es gar nicht», sagt Stefan Kleyer, «wir sind viel zu stark aufeinander angewiesen.» Die Brauer bei Feldschlösschen schleppen auch nicht mehr 50-Kilo-Säcke mit Hopfendolden, sondern arbeiten zum Beispiel mit Hopfen­extrakten. Und mit hochkomplexen Maschinen und Steuerungsprogrammen.

Brauerei-Tradition: Von aussen sieht die Feldschlösschen-Brauerei richtig schön alt aus …

TAUSENDE KILOS. Der Computer spielt gerade auch in Kleyers Arbeitsalltag eine grosse Rolle. Seit einem halben Jahr arbeitet er nicht mehr direkt in der Produktion, sondern kümmert sich vor allem um administrative Aufgaben. Er überprüft beispielsweise, ob die Biermenge, die in den Tanks physisch vorhanden ist, mit den Angaben im Buchhaltungssystem übereinstimmt. Er bestellt das Material, das Feldschlösschen für die Produktion braucht, den Hopfen, das Malz usw., Tausende Kilos davon. Und er hält die Lager in Ordnung.

Trotzdem sitzt er nicht mit Schale und Krawatte am Schreibtisch, sondern ist nach wie vor im Blaumann in den Fabrikhallen unterwegs. Wenn Not am Mann ist, springt er in der Produktion ein. Man kennt ihn, auf dem ganzen Areal grüssen die Kollegen im Vorbeigehen den Mann mit dem spitzbübischen Grinsen. Das liegt wohl auch an seinem Amt als Präsident der Feldschlösschen-Betriebskommission. Dort setzt sich der Unia-Gewerkschafter in Gesprächen mit den Vorgesetzten für die Anliegen seine Kollegen ein. Besonders wichtig ist ihm dabei eine offene Kommunikation: «Wenn es zum Beispiel um die Löhne geht, dann verhandeln die Unia-Leute und die Vertreter der Geschäftsleitung hart. Aber am Schluss gibt man sich die Hand und trinkt ein Bier zusammen. So sollte es sein.» Einen halben Tag pro Woche kann er für die Gewerkschaftsarbeit aufwenden. Das brauche es nicht immer, sagt Kleyer. Dafür bekommt er auch mal einen ganzen Tag frei, wenn es für die Arbeit in der Betriebskommission nötig ist.

… innendrinn steckt aber eine moderne Produktionsanlage.

HANDGEMACHTES BIER. Am liebsten habe er Freibier, witzelt Brauer Kleyer, lacht und präzisiert: «Besonders gerne mag ich gut gehopfte Biere. Die Hopfenperle von Feldschlösschen zum Beispiel.» Oder Biere aus Süddeutschland, gebraut in kleinen Familienbetrieben. Es sei wichtig, verschiedene Produkte zu probieren, auch jene der Konkurrenz. Man muss schliesslich wissen, was in der Branche läuft. Denn das ist so einiges. In den letzten Jahren sind auch in der Schweiz viele kleine Brauereien entstanden. «Craft Beer» nennt sich der Trend, handgemachtes Bier. Alleine in Basel gibt es derzeit 36 solche ­Mikrobrauereien, erklärt Stefan Kleyer: «Einige sind richtig gut, die werden sich halten können.» Viele andere aber werden in fünf bis zehn Jahren verschwunden sein, ist er sich sicher.

Auch wenn ein Job in einer solchen Brauerei näher beim ursprünglich gelernten Handwerk wäre: Kleyer kann sich nicht mehr vorstellen, so zu arbeiten. Denn diese Brauer stellen nicht einfach nur Bier her, sie fahren die Getränke aus, machen die Buchhaltung selber usw. Da sei nicht nach einem 8-Stunden-Tag Schluss, sagt Kleyer. Auch deshalb sieht er seine Zukunft im Feld-Schlösschen ob Rheinfelden.


Stefan Kleyer: Der Grillmeister

Nach seiner Lehre als Brauer und Mälzer fand Stefan Kleyer (* 1977) in seiner deutschen Heimat Berlin keine Stelle. Deshalb kam er vor rund 20 Jahren in die Schweiz, zu Feldschlösschen. Er arbeitet mit einem 100-Prozent-Pensum, ein halber Tag pro Woche ist für die Gewerkschaftsarbeit reserviert. Zu seinem Lohn sagt er: «Für meine Gehaltsstufe bin ich im Soll.»

DREHSPIESS. Auch privat beschäftigt sich Stefan Kleyer am liebsten mit Lebensmitteln. Er kocht und grilliert leidenschaftlich gerne. Auf seinem Holzkohle-Kugelgrill zaubert er Köstlichkeiten von Pulled Pork bis Krabbenburger. Bei letzterem dreht er das Fleisch selber durch den Fleischwolf, die Brötchen sind selbstgebacken. Am idealsten aber sei es, wenn man etwas am Drehspiess mache: «Da hat man genügend Zeit, nebendran gemütlich ein Bierchen zu trinken.»

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