Haushalte leiden unter Prämienhammer und Bürgerliche machen munter weiter
Bürgerliche Gesundheitspolitik macht uns arm und krank

Die Krankenkassenprämien werden für die Mehrheit definitiv bald unbezahlbar: Auf das nächste Jahr steigen sie im Schnitt um weitere 6 Prozent. Doch die bürgerliche Parlamentsmehrheit macht weiter Politik für die Pharma-Industrie und die Krankenkassen. Die neusten Entscheide sind erschreckend. Und mit Efas drohen zusätzlich 8 Prozent höhere Prämien.

EINE POLITIK, DIE KRANK MACHT: In keinem anderen OECD-Land zahlen die Menschen mehr für ihre Gesundheit aus dem eigenen Sack. (Foto: Pexels)

Nachdem sie auf dieses Jahr hin um 8,7 Prozent gestiegen sind, werden die Krankenkassenprämien 2025 nochmals um 6 Prozent teurer. Das ist für immer mehr Menschen schlicht nicht mehr zu stemmen. Bis weit in den Mittelstand hinein werden die Krankenkassenprämien zum ernsthaften Armutsrisiko. Die bürgerliche Gesundheitspolitik ist gescheitert. Doch die rechten Parteien machen so weiter, als wenn nichts wäre, und hoffen, mit den immer neuen Nebelpetarden durchzukommen.

Nicht zu teuer …

Wir werden gesünder älter. Immer mehr Krankheiten sind heilbar. Oder so behandelbar, dass ein gutes Leben möglich ist. Kurz: Der medizinische Fortschritt ist eine Errungenschaft. Die Schweiz gibt rund zwischen 11 und 12 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für die Gesundheit aus. Das ist ähnlich viel wie in unseren Nachbarstaaten. Die medizinische Versorgung in der Schweiz ist im internationalen Vergleich bei allen Schwierigkeiten sehr gut. Dabei sind die Schweizer Gesundheitsausgaben nicht generell überrissen.

… falsch finanziert

Aber sie sind völlig falsch finanziert. Statt, wie in anderen Ländern üblich, die Gesundheitskosten entweder aus Steuereinnahmen oder wenigstens über Lohnprozente zu finanzieren, drückten die Schweizer Bürgerlichen zur Einführung des Krankenkassenobligatoriums 1996 die Kopfprämien durch. Kopfprämien sind Kopfsteuern. Und Kopfsteuern sind die ungerechtesten Steuern, die es gibt:

In keinem anderen Land ­Europas zahlt die Verkäuferin oder der Elektriker gleich viel für die Krankenkasse wie der Milliardär.

Zu den explodierenden Prämien kommen noch Franchise, Selbstbehalt, rezeptfreie Medikamente und Zahnbehandlungen. Nirgendwo in der OECD bezahlen Versicherte und Kranke mehr ihrer Gesundheitskosten direkt aus dem eigenen Sack.

Versprechen gebrochen

Bei der Einführung des KVG haben Bundesrat und Parlament versprochen, dass niemand mehr als 8 Prozent des steuer­baren Einkommens für die Krankenkassenprämien zahlen müsse. Dieses Versprechen haben sie rasch gebrochen. Und brechen es in voller Absicht weiter. Nicht nur, dass die bürgerliche Mehrheit im Bundeshaus sich von jenen sponsoren lässt, die im Gesundheitswesen die Milliardenprofite machen. Sondern sie scheren sich auch einen Deut um das gemachte Versprechen. Wenn das Prä­mienwachstum und die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt werden – was ­eigentlich auf der Hand liegt –, haben 17 der 26 Kantone die Prämienverbilligungen im letzten Jahrzehnt zusammengestrichen. 10 Kantone haben die Beiträge sogar nominal gekürzt. Das heisst:

Sie bezahlen heute selbst in Franken weniger an Prä­mienverbilligungen als vor zehn Jahren.

Untaugliche Rezepte

Die Gesundheitskosten gehören seit Jahren zu den Hauptsorgen der Bevölkerung. Darum kommen auch bürgerliche Politikerinnen und Politiker nicht darum herum, so zu tun, als würden sie Lösungen suchen.

UNTRAGBAR: Die steigenden Krankenkassenprämien werden für immer mehr Menschen zu einem echten finanziellen Problem. (Foto: Keystone)

Auch dieser Tage überbieten sich die Gegnerinnen und Gegner einer sozialen Finanzierung der Gesundheitskosten wieder mit Vorschlägen, wie die Prämienlast gesenkt werden könnte. Sie haben zwei Gemeinsamkeiten: Erstens gehen sie zu Lasten der Kranken und der Nicht-Reichen. Zweitens sind sie unwirksam. Und die viele davon sind Ladenhüter der bürgerlichen Gesundheitspolitik. Zwei Beispiele, die gerade wieder durch die Parlamentskammern und wohlwollende Medien wabbern:

Mindestfranchise erhöhen

Der Ständerat will die Mindestfranchise erhöhen. Damit sollen Leute davon abgehalten werden, «unnötig» zur Ärztin zu gehen. Oder sich doch wenigstens «angemessen» beteiligen. Es gebe eine «All-you-can-eat»-Mentalität, wenn die Franchise zu niedrig sei. So die zynische Argumentation. Ganz so, als wären Arztbesuche und Operationen ein Hobby der Versicherten. Und besonders von jenen mit Mindestfranchise. Auch hier zeigen die Zahlen etwas anderes: Die kleinste Franchise wählen Menschen, die chronisch krank sind. Und vernünftigerweise würden auch jene die tiefsten Franchisen wählen, die keine 2500 Franken Arztkosten aus dem eigenen Sack bezahlen können. Doch weil die tiefste Franchise zu den höchsten Prämien führt, wählen viele die Maximal-Franchise. Werden sie dann krank, vermeiden sie den Besuch bei Ärztinnen und Ärzten, solange es irgendwie geht.

Notfall-Gebühren

Die Notfallstationen der Spitäler sind überlastet. Schuld daran sind laut beliebten Erzählungen entweder «die Ausländer» oder jene Leute, die wegen jedes Bobos am Wochenende oder nachts auf den Notfall gehen. Darum soll jetzt quasi Eintritt verlangt werden. Tönt nach gesundem Menschenverstand, ist aber Unsinn. Das sagen nicht linke Gutmenschen, sondern eine Untersuchung der Krankenkasse Helsana. Sie ist Anfang Monat erschienen, basiert auf harten Zahlen und kann unter diesem Link nachgelesen werden. Kernaussage:

Der Anteil der Bagatellen auf den Notfall-Stationen ist kontinuierlich gesunken, von 10 Prozent im Jahr 2014 auf noch 7 Prozent 2023.

Und, so wörtlich: ««Die Notfallgebühr verursacht statt der gewünschten Entlastung bloss mehr administrativen Aufwand.»

Brandbeschleuniger Efas

Ist dies Wahnsinn, so hat es doch Methode. Denn nicht nur, dass die bürgerlichen Parteien Nicht-Superreiche, Schwer- und Chronischkranke im Rahmen des aktuellen Systems noch weiter belasten wollen. Sie haben unter dem Wortungetüm «Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen», kurz Efas, eine Vorlage gebastelt, die den Krankenkassen noch mehr Macht gibt und für die Versicherten für eine schlechtere Versorgung noch auf einen Schlag bis zu 8 Prozent mehr Prämienkosten bedeutet – zusätzlich zu den «normalen» jährlichen Aufschlägen.

Teilprivatisierung des Gesundheitswesens

Wie das? Mit der Efas sollen medizinische Leistungen aus einem Topf finanziert werden, egal, ob sie ambulant oder im Spital erfolgen. Es ist grundsätzlich eine gute Idee, ambulante und stationäre Leistungen aus einem gemeinsamen Topf zu finanzieren und damit bei beiden den gleichen Verteilschlüssel anzuwenden. Aber:

Was das Parlament daraus gemacht hat, lässt einzig die Krankenkassen sich die Hände reiben.

Versicherte, Kranke, Pflegebedürftige und die Pflegenden schauen in die Röhre. Das ist bitter, aber nicht erstaunlich, wie ein kurzer Blick auf die lange Geschichte der Vorlage zeigt.

Seit dem Jahr 2009 ist eine «Efas-Motion» auf dem parlamentarischen Weg. Eingereicht hatte sie die Aargauerin Ruth Humbel, die als Vertreterin der Krankenkassen (mit zeitweise über zwanzig (!) einschlägigen Nebenjöbli) und der CVP (heute Mitte) während zwanzig Jahren im Nationalrat sass. In den folgenden vierzehn Jahren schaute die Krankenkassenlobby gut darauf, dass vor allem sie bei Efas profitiert. Im vergangenen Dezember verabschiedeten die Räte dann die jetzt vorliegende Version.

FRAU DER KASSE: Ruth Humbel war im eidgenössischen Parlament die Vertreterin der Krankenkassen. (Foto: Keystone)

Bereits 2021 brachte es der damalige SP-Ständerat und frühere SGB-Präsident Paul Rechsteiner in der Debatte so auf den Punkt:

Efas ist ein Projekt der Versicherer. Bezahlen müssen aber die Versicherten, sei es mit Prämien oder sei es mit Steuern.

Daran hat sich in den folgenden parlamentarischen Runden nichts geändert, im Gegenteil. work hat bereits im Januar die Vorlage und ihre Auswirkungen auf Versicherte, Kranke und Pflegende ausführlich vorgestellt (zum Artikel). Die Gewerkschaften haben dagegen das Referendum ergriffen. Am 24. November hat das Volk das letzte Wort.
 
Lesen Sie am Dienstag: Wie die Gewerkschaften die Prämienlast für untere und mittlere Einkommen senken, die Gesundheitsversorgung verbessern und die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verbessern wollen.

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