Berufsbildung für Flüchtlinge

Besser integriert dank der neuen Vorlehre

Sina Bühler

Je schneller Flüchtlinge die Sprache können und eine Ausbildung haben, desto besser sind sie in der Schweiz integriert. Bund und Kantone lancieren deshalb zwei Projekte.

BRÜCKENANGEBOT: Die Vorlehre will Flüchtlingen den Einstieg ins Berufs­leben ­erleichtern. (Foto: Keystone)

Damit man sich in einem fremden Land langfristig zurechtfindet, braucht es zwei Dinge: Sprachkenntnisse und Arbeit. Wenn wir die Sprachen sprechen, können wir am lokalen Leben teilnehmen und finden einfacher eine Arbeit. Durch die Arbeit sind wir finan­ziell unabhängig, haben einen Kollegenkreis und eine Aufgabe. Und eine anerkannte Berufsbildung erhöht wiederum die Chance auf einen Arbeitsplatz. Weil Bund und Kantone von diesen Prinzipien überzeugt sind, haben Anfang Jahr zwei Pilotprojekte gestartet: die sechsmonatige frühzeitige Sprachförderung (siehe Spalte) und die einjährige Integrationsvorlehre. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) stellt dafür 54 Millionen Franken zur Verfügung. Laut SEM-Sprecher Martin Reichlin orientiert sich das Angebot an der künftigen Berufswahl: «Die Teilnehmenden der Integrationsvorlehre sollen praktisch und schulisch möglichst gut auf eine entsprechende Berufslehre vorbereitet werden. Die Ausbildung orientiert sich am Profil des jeweiligen Berufsfeldes.»

Wer?

Das Pilotprogramm richtet sich an anerkannte Flüchtlinge (B-Ausweis) und vorläufig Aufgenommene (F-Ausweis), die schon über eine gewisse schulische und berufliche Grundbildung verfügen. Das Sprachniveau sollte mindestens A 2 mündlich und A 1 schriftlich betragen (gemäss europäischem Referenzrahmen). Wichtig ist natürlich auch, dass die Teilnehmenden an einer anschliessenden Berufslehre interessiert sind.

Wo?

Ein Grossteil der Kantone – bisher sind es 19 – führen die Integra­tionsvorlehre auf Sommer 2018 ein. Die endgültigen Verträge mit dem SEM sind allerdings noch nicht unterschrieben. Kleinere Kantone, die alleine nicht genügend Teilnehmende haben, können sich zum Teil mit Nachbarkantonen zusammenschliessen.

Wie lange?

Die Teilnehmenden sind ein Jahr lang in der Integrationsvorlehre: zum Teil in einem Betrieb, zum Teil in der Schule. Das Ausbildungsjahr ist als Vollzeitlehrgang geplant.

Wie viele?

Schweizweit sollen jedes Jahr bis zu 1000 Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. In mehreren Kantonen sind die zuständigen Berufsbildungsämter zurzeit noch auf der Suche nach Einsatzstellen für die praktische Ausbildung.

Branchen

Die Idee kommt zwar aus der Verwaltung, das Projekt kann aber nur funktionieren, wenn auch die Wirtschaft mitmacht und Stellen anbietet. Grundsätzlich ist die Integrationsvorlehre in jedem Beruf möglich. Um überall Schulklassen bilden zu können, braucht es aber genügend Branchenverbände oder grössere Betriebe, die bereit sind, Betriebseinsätze zu ermöglichen.
Bisher hat es, je nach Kanton, in folgenden Branchen geklappt: Automobil, Bäckerei/Konditorei, Detailhandel, Fleischwirtschaft, Gastronomie, Gebäudereinigung, Gleisbau, Landwirtschaft und Logistik.

Schule

Neben dem Einsatz im Betrieb besuchen die Lernenden auch die Schule, je nach Kanton etwa 1,5 bis 2 Tage in der Woche. Unterrichtet wird im Rahmen einer Berufsschule oder in Brückenangeboten.

In den Schulstunden gibt es einerseits einen intensiven Sprachkurs, mit einem besonderen Fokus auf das gewählte Berufsfeld. Welche Ausdrücke sind für den Beruf wichtig? Wie kann ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen kommunizieren? Wie spreche ich mit Kundinnen und Kunden? Unterrichtet wird ausserdem Allgemeinbildung, so dass der spätere Besuch der Berufsschule kein Problem sein sollte. Der dritte Schwerpunkt der Schulkurse ist das Thema «Normen und Werte», um mit dem Schweizer Arbeitsmarkt vertraut zu werden. Auch hier spielt das künftige Berufsfeld eine grosse Rolle.

Unterstützung und Links

Alle Informationen zur Integrationsvorlehre finden Sie unter rebrand.ly/integrationslehre. Erkundigen Sie sich beim kantonalen Migra­tionsamt, ob es Angebote in Ihrer Umgebung gibt. Unterstützung ­erhalten Sie auch bei der Unia. Die Interessengruppe Migration
erreichen Sie unter: unia.ch/migration

Praxis

Wie bei einer Berufslehre wird auch in der Integrationsvorlehre der Praxiseinsatz grossgeschrieben. Das heisst, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiten in einem Betrieb. Was die Entlohnung angeht, bleibt die Vorgabe des SEM etwas vage: «Für den Betriebseinsatz ist nach Möglichkeit eine angemessene Entschädigung vorzusehen.» Laut SEM-Sprecher Reichlin werden sowohl die Arbeitsbedingungen als auch der Lohn von den Berufsbildungsämtern überprüft und genehmigt. Wie die Berufslehre sind auch die Intergrationsvorlehren ein Vertrag von drei ­Parteien: nämlich von Betrieben, Lernenden und Behörden.

Anmeldung

Die Sozialämter und Integrationsstellen der Gemeinden wählen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten aus und melden sie bei den kantonalen Berufsbildungsämtern an.

Grundvoraussetzung neben gewissen Sprachkenntnissen ist der Besuch der obligatorischen Schule oder eine berufliche Grundbildung oder Berufserfahrung im Heimatland.


Zweites Projekt Sprachkurse

Bevor sie einen Beruf ­erlernen können, müssen sich Neuankömmlinge möglichst gut in der jeweiligen Landessprache verständigen können. Der zweite Teil des Projekts von Bund und Kantonen will deshalb die Kommunikationsfähigkeiten von Flüchtlingen und ­vorläufig Aufgenommenen stärken. In den nächsten vier Jahren sollen 800 bis 1000 Asylsuchende an ­einer frühzeitigen Sprachförderung teilnehmen ­können.

UNSICHERER STATUS. Im Unterschied zur Integra­tionsvorlehre richtet sich das Angebot auch an Menschen mit noch un­sicherem Auf­enthalts­status, die aber mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Schweiz bleiben können. Diese Sprachkurse dauern sechs Monate und sind in einigen Kantonen bereits gestartet. Die ­zuständigen kantonalen Integrations­stellen oder Migrations­ämter wählen unter den ­Interessentinnen und ­Interessenten jene aus, welche die grössten Chancen auf ­Erfolg haben: Sie verfügen bereits über eine gewisse schulische Grundbildung und sind motiviert. Die Teilnehmenden sollen weiterhin im Kurs lernen können, auch wenn sie in der Zwischenzeit einen F- oder B-Ausweis erhalten. Das Ziel des ­Kurses ist ein mündliches Niveau von A 2 und ein schriftliches Niveau von A 1 nach dem europäischen ­Referenzrahmen.

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